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27.10.11 –
Der Deutsche Bundestag hat am 26.10.2011 mit den Stimmen der Koalition, der SPD und der Grünen einen Entschließungsantrag beschlossen, in welchem u. a. eine effizientere Nutzung („Hebelung“) des europäischen Rettungsschirms (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität, EFSF) beschlossen wurde. Aufgrund unserer Initiative wurde dies im Plenum des Bundestages und nicht im Haushaltsausschuss beschlossen, wie ursprünglich von der Koalition angedacht.
Des Weiteren fordert unser Entschließungsantrag die Bundesregierung auf, auf eine Entscheidung zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer hinzuwirken und sich für eine stärkere Eigenkapitalausstattung der Banken einzusetzen.
Da wir schon seit langer Zeit die Position vertreten, dass die EFSF in ihrer bisherigen Ausgestaltung nicht ausreicht, haben wir dem Antrag zugestimmt. Gleichzeitig konnten wir durchsetzen, dass die Entscheidung um eine Finanztransaktionssteuer nicht weiter vertagt wird und dass die Abstimmung im Plenum erfolgte.
Während europäische Staatsanleihen früher generell als absolut sicher bewertet wurden, sind in den vergangenen Monaten auf den Finanzmärkten auch Zweifel an Spaniens und Italiens Finanzkraft und damit über die Rückzahlungsfähigkeit ihrer Anleihen entstanden. Viele Investoren waren nicht mehr bereit, zu den bisherigen Zinsen Anleihen dieser Staaten zu kaufen. Daher mussten die Staaten für neue Anleihen höhere Zinsen in Kauf nehmen.
Die Verwobenheit des Finanzsystems in der EU ist zu stark, als dass ein Ausfall eines der beiden Länder verkraftbar wäre. Alleine der Anteil Deutschlands an den Kreditlinien der EZB für Banken in der EU beläuft sich auf € 325 Mrd. Die Forderungen deutscher Banken gegenüber Griechenland, Portugal, Irland, Italien und Spanien belaufen sich in der Summe auf € 515 Mrd. Der mit Abstand größte Teil darunter bezieht sich auf Forderungen gegenüber Spanien und Italien bzw. dort sitzenden Banken.
Die Frage der Stabilität der Staatsfinanzen in Italien und Spanien hängt direkt davon ab, wie hoch die Zinsen sind, die sie für ihre Kredite zahlen müssen. Während Italien in der Lage wäre, eine Zinshöhe von 5% über Einsparungen im Haushalt und Wachstum zu bewältigen, wäre dies bei einer Zinshöhe von 8% nicht mehr gewährleistet. Gelingt es aber, die Zinsen nicht zu stark ansteigen zu lassen, könnten beide Staaten zahlungsfähig bleiben. Das ist das Ziel des erweiterten EFSF. Er ermöglicht einen Schutzwall, z. B. um die beiden Staaten. Gleichzeitig müssen die unterstützten Staaten Reformprogramme umsetzen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.
Für die Unterstützung Italiens und Spaniens reicht der Rettungsschirm in seiner aktuellen Ausgestaltung nicht aus. Das derzeitige Kreditvolumen der EFSF ist zu gering, um ein großes Land mit Hilfsmaßnahmen zu unterstützen („unter den Schirm zu nehmen“). Aus diesem Grund wird nach Wegen gesucht, die Mittel so einzusetzen, dass man damit effektiv mehr Kredite vergeben kann. Diese Wege beinhalten generell ein höheres Risiko für die Geberländer, schaffen aber eine größere Entlastung für die Empfängerländer. Der ursprünglich vorgesehene Garantierahmen von 440 Mrd. Euro (Deutscher Anteil: 211 Mrd. Euro) bleibt dennoch gleich. Dabei geht es nicht um die Finanzierung von Griechenland, sondern um andere Länder der Eurozone.
„Hebel“ bedeutet, dass zusätzliche private Investoren für die Finanzierung von Ländern mit Finanzierungsproblemen heran gezogen werden sollen. Die EFSF gibt dann nicht mehr alleine Kredite an ein Land, sondern besichert nur einen Teil eines Kredits. Würde ein Schuldenschnitt kommen, fiele zuerst der EFSF-Anteil an einem Kredit aus. Private Gläubiger würden belastet, wenn der Schuldenschnitt über den EFSF-Anteil hinaus gehen würde.
Aufgrund des dadurch niedrigeren Risikos für private Gläubiger wird damit gerechnet, dass diese ihren Anteil zu einem günstigen Zins bereit stellen. Würde die EFSF weiter normale Kredite vergeben, würde bei einem Schuldenschnitt immer noch ein Teil des Kredits nicht ausfallen – bei einem Staatsausfall gab es bisher noch nie einen Ausfall von 100%. Da die EFSF nun aber den risikoreichen Teil von Krediten versichert, würden die so gegebenen Garantien bei einem Schuldenschnitt gänzlich ausfallen. In der Finanzersprache spricht man davon, dass die „Verlustquote bei Ausfall“ steigt. Bei einem normalen Kredit und einem Schuldenschnitt von 20% ist die „Verlustquote bei Ausfall“ eben 20%. Sichert man aber Verluste ab, beträgt die „Verlustquote bei Ausfall“ bei einem Schuldenschnitt von 20% sofort 100%. Die Quote steigt also schneller auf 100% an, kann aber nie 100% übersteigen. Daher erhöht sich auch nicht der vorgesehene Garantierahmen für Deutschland in Höhe von 211 Mrd. €.
Wir haben der Hebelung zugestimmt, weil wir sie notwendig finden und sie bereits in der Abstimmung um den EFSF Ende September gefordert haben. Wir haben in den gemeinsamen Entschließungsantrag Punkte (Finanztransaktionssteuer, Bankenrekapitalisierung) verhandelt, die ohne uns nicht in dem Text enthalten wären. Wir haben Vorschläge, wie die Kosten der Krise finanziert werden sollen: Finanzumsatzsteuer, Vermögensabgabe, Streichung von Steuerprivilegien oder die Erhöhung der Einkommensteuer. Das alles fordert die Regierung nicht, sie schweigt dazu.
Wir haben immer gesagt, dass der EFSF uns nur Zeit verschafft, aber nicht die grundsätzlichen Probleme löst. Deswegen arbeiten wir weiter u.a. an einem Konzept zu Euro-Bonds, zur europäischen Wirtschaftsregierung, zu einem eventuellen Europa-Konvent etc. Der EFSF ist ein notwendiges Instrument, das aber keine abschließende Lösung der Krise bringen kann.
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