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15.10.15 –
Länder und Kommunen wurden allein gelassen. Von daher begrüßen wir es ausdrücklich, dass nun durch zähe und lange Verhandlungen der Bundesländer einige lang überfällige und vielfach geforderte Maßnahmen umgesetzt werden. An erster Stelle steht dabei die strukturelle und dauerhafte Beteiligung des Bundes an den Kosten der Aufnahme und Unterbringung der Flüchtlinge. Insgesamt sollen Länder und Kommunen um mehr als 4 Mrd. Euro entlastet werden. Zudem werden Mittel zur Verfügung gestellt, die für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und für den Ausbau der Kinderbetreuung eingesetzt werden. Ein erster Schritt ist auch, dass der Bund die Mittel für die soziale Wohnraumförderung um 500 Mio. Euro auf eine Milliarde in den nächsten vier Jahren erhöht. Diese Summe ist eine erste Finanzspritze. Wichtig ist auch, dass der Bund den Zugang zu Maßnahmen der Arbeitsmarktförderung und zu Integrationskursen für viele Flüchtlinge verbessert. Mit all diesen Maßnahmen übernimmt der Bund endlich Verantwortung.
Das Verhandlungsergebnis zwischen Bundesregierung und Bundesländer ist aber auch ein bitterer Kompromiss. Denn er enthält eine Reihe von Gesetzesverschärfungen, die mit einer menschenrechtsorientierten Flüchtlingspolitik nicht in Einklang zu bringen sind und zudem widersinnige Integrationshemmnisse aufbauen. Dazu zählen insbesondere die verlängerte Verpflichtung von Asylsuchenden zum Verbleib in Erstaufnahmeeinrichtungen, Anspruchseinschränkungen im Asylbewerberleistungsgesetz und die Ausweitung der Liste angeblich „sicherer Herkunftsstaaten“. Diese Gesetzesverschärfungen werden wir bei Einzelabstimmungen namentlich ablehnen.
Am Ende müssen wir uns aber auch zum Gesamtpaket verhalten und diese Entscheidung fällt uns extrem schwer. Zustimmen können wir dem Gesetzentwurf aufgrund der Verschärfungen auf keinen Fall. Den Gesetzentwurf können wir aber auch nicht ablehnen, denn als langjährige Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker wissen wir, wie sehr die Kommunen auf die finanzielle Unterstützung des Bundes angewiesen sind. Aus diesen Gründen werden wir uns bei der Abstimmung über das Gesamtpaket zwangsläufig enthalten.
Namentlich abgelehnt haben wir die Leistungskürzungen unter das Niveau des soziokulturellen Existenzminimums, die folglich nur Leistungen für Ernährung, Unterkunft (inkl. Heizung), sowie Körper- und Gesundheitspflege enthalten. Das ist nicht akzeptabel, denn alle Menschen, die hier leben, haben ein Anrecht auf die gleichen Leistungen. Deshalb sind wir auch der Meinung, dass diese Leistungseinschränkungen verfassungsrechtlich mehr als fragwürdig sind. Auch die geforderte Umwandung der Geldleistungen für den persönlichen Bedarf in Sachleistungen ist weder humanitär noch sozialpolitisch vertretbar. Sie überfrachten zudem die Aufnahmeeinrichtungen mit noch mehr Bürokratie.
Ablehnen werden wir auch, dass Albanien, Kosovo und Montenegro in die Liste der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten aufgenommen werden. Für uns ist das ein Angriff auf das Prinzip der Einzelfallprüfung, einem Grundpfeiler des Asylrechts. Das trifft insbesondere die Roma, denn sie werden in den Staaten des Westbalkans weiterhin diskriminiert. Und schlussendlich hat der Bundestag erst im Sommer den KFOR-Einsatz der Bundeswehr im Kosovo verlängert, weil das Land noch immer instabil ist.
Für die Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten gibt es zudem weitere Einschränkungen ihrer sozialen und wirtschaftlichen Rechte. Sie werden dauerhaft und unbegrenzt verpflichtet, in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu verbleiben. Mit der daraus folgenden Ausweitung der Residenzpflicht, des absoluten Arbeitsverbotes und des Sachleistungsprinzips werden flüchtlingspolitische Erfolge des letzten Jahres zurückgedreht. In mehreren Bundesländern dürfte für Kinder und Jugendliche in diesen Einrichtungen die Schulpflicht entfallen. Auch Flüchtlinge mit sogenannter „guter Bleibeperspektive“ können zukünftig bis zu 6 Monate in Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben. Diese Regelung produziert sozialen Sprengstoff, Konflikte und Verelendung in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Damit entsteht keine Akzeptanz in der Bevölkerung – im Gegenteil. Deshalb werden wir auch diese Verschärfungen namentlich ablehnen.
Wir kritisieren auch die Beschränkung der Befassung der Härtefallkommissionen auf Fälle, in denen kein Rückführungstermin feststeht. Vor allem aber bleibt auch die gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen rechtlich weiterhin auf die dringend erforderliche und nicht aufschiebbare Behandlung bei akuter Erkrankung beschränkt. Das widerspricht nicht nur dem humanitären Gebot auf eine angemessene gesundheitliche Versorgung, es führt häufig auch zu nachfolgenden bedeutend aufwändigeren Behandlungen und höheren Kosten. Geflüchtete bleiben somit Patienten zweiter Klasse, die sich mit einer Notversorgung zu begnügen haben. Die Option in den Bundesländern mit den Krankenkassen eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge zu vereinbaren, wurde rechtlich nicht entsprechend den Vereinbarungen mit den Ministerpräsidenten geregelt. Es ist weder eindeutig absehbar ob die bestehenden Vereinbarungen zur Gesundheitskarte für Flüchtlinge in Bremen, Hamburg und NRW Bestand haben. Es bleibt auch unklar, ob vergleichbare Rahmenvereinbarungen in den anderen Bundesländern in Zukunft möglich sind. Darüber hinaus soll auf der Karte vermerkt werden, dass es sich um Flüchtlinge handelt. Das ist diskriminierend und verlagert eine hochproblematische Entscheidung über eine eingeschränkte Behandlung in die Arztpraxis.
Ein letzter Gedanke ist uns abschließend noch wichtig. Statt tragfähige Lösungen vorzuschlagen, werden immer wieder von Regierungsmitgliedern oder von Mitgliedern der sie tragenden Parteien, insbesondere von der CSU, populistische und völlig abstruse Debatten vom Zaun gebrochen. Das lenkt von den wirklichen Problemen ab. Vor allem kann dies die gelebte Solidarität der Bevölkerung erschüttern und gleichzeitig all jene, die Unterkünfte für Geflüchtete in Brand stecken, bestärken. Das sehen wir mit großer Sorge und das geht uns auch unter die Haut.
Die persönliche Erklärung als PDF finden Sie hier.
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