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25.05.11 –
Die Bilanz der Drogenbeauftragte der Bundesregierung ist nach mehr als 1 1/2 Jahren im Amt äußerst dünn. Während ihre Vorgängerinnen zumindest bedeutende Projekte wie einen rechtlichen Rahmen für den Betrieb von Drogenkonsumräumen oder die Aufnahme der Diamorphinbehandlung in die Regelversorgung aufweisen können, liegen die Impulse von Frau Dyckmans an der Nachweisgrenze.
Der Drogen- und Suchtbericht 2011 besteht im Grunde genommen nur aus selektiven Daten aus dem Bundeskriminalamt und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, etwas externem Input sowie dem Status meist von ihrer Vorgängerin Sabine Bätzing angestoßenen Projekten. Wäre der Drogen- und Suchtbericht 2010 nicht ausgefallen, wie kärglich wäre der aktuelle.
Die Zahlen im Bericht sind selektiv, weil Repression scheinbar nur zu Beschlagnahmungen von Drogen führt. Das undifferenzierte Verbot von Drogen führt aber ebenso zu einem Schwarzmarkt mit vielfältigen unerwünschten Nebenwirkungen und zu einer massiven Verfolgung von Menschen. Selbst Vertreter des Verbotes sollten diese Wirkungen, ihre Folgen sowie die enormen Kosten hierfür im Blick haben. Repression ist Realität für Drogenkonsumenten, die oft beschworene Fokussierung auf Drogendealer findet nicht statt. Eine liberale Drogenpolitik mit einer Entkriminalisierung von Drogenkonsumenten wie sie im FDP-Wahlprogramm angekündigt wurde, findet nicht statt.
Bei den Daten zu Cannabis und Alkohol vermittelt der Bericht den Eindruck, der problematische Konsum sei ein Jugendphänomen. Die von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen im Jahrbuch Sucht präsentierten Steigerung der Alkoholvergiftungen in allen Altersgruppen werden nicht erwähnt. Gerade in den Altersgruppen 45 bis 55 Jahre und über 65 gab es seit dem Jahr 2000 Steigerungen von mehr als 180%! Die Zahl der Entwöhnungsbehandlungen hat sich zwischen 1997 und 2009 fast verdoppelt, ¾ davon wegen Alkohol.
Dr. Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der DHS schreibt im Vorwort des Jahrbuch Sucht 2011 hierzu: „Besonders wichtig ist, hier festzustellen: Nicht nur Schwangere konsumieren Alkohol gegen ärztlichen Rat, nicht nur Jugendliche haben Alkoholprobleme im erschreckenden Umfang, nicht nur junge Autofahrer rasen im Alkoholrausch sich und andere ums Leben. Vielmehr erzeugt ein hoher Alkoholkonsum der Gesamtbevölkerung auch ein hohes Ausmaß an alkoholbezogenen Problemen in der Gesamtbevölkerung.“
Wer wie Frau Dyckmans Pressekonferenzen des Bundesverbandes der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeuere nutzt um die bestehende Gesetzeslage zu loben, von dem ist nicht viel zu erwarten, auf jeden Fall keine kohärente Drogenpolitik. Konsequenterweise wurden von Frau Dyckmans die Aktionspläne zu Alkohol und Tabak ihrer Vorgängerin eingestampft, sie setzt stattdessen auf nutzlose (Freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie), teure (unwirksame Massenplakate) und rein öffentlichkeitswirksame („Hiphop gegen Komasaufen“) Maßnahmen.
Im Bereich Glückspielsucht interessiert sich die real handelnde Politik auf Länderebene nicht weiter für die Vorschläge der Drogenbeauftragte, sowohl der FDP-Wirtschaftsminister als auch der FDP-Gesundheitsminister pfiffen den unabgestimmten Vorstoß Dyckmans Anfang des Jahres 2011 prompt zurück. Es ist zudem bezeichnend, dass das Bundeswirtschaftsministerium auf eine erneute Aufnahme in den Drogen- und Suchtrat verzichtet hat und das Thema Spielsucht dort keine Rolle spielt.
Die Behauptung der Bundesregierung, sie hätte den Weg für Cannabis als Medizin freigemacht, ist für die Betroffenen der blanke Hohn. Über ein Jahr brauchte der Beschluss zur kleinstmöglichen Änderung des Betäubungsmittelgesetz um eine Zulassung des Fertigarzneimittel Sativex zu ermöglichen. Sativex ist teuer, besitzt nur eine Indikation, besteht nur aus zwei Wirkstoffen und ist damit ebenso wie Dronabinol nur eingeschränkt wirksam. Für eine optimale und kostengünstige Versorgung wären günstige Cannabisblüten aus Deutschland ein guter Weg. Aufgrund der Blockade der Bundesregierung bei der Einrichtung einer nationalen Cannabisagentur darf aber medizinisches Cannabis in Deutschland noch immer nicht angebaut und an/über Pharmafirmen verkauft werden.
Der Drogen- und Suchrat „aus Experten und Sachverständigen aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Verbänden und Einrichtungen des Gesundheitswesens“ besteht primär aus Mitgliedern der Bundesministerien, Landesministerkonferenzen und Verbänden der Medien, Krankenkassen und der kommunalen Spitzenverbände.
Geballte Expertise sieht anders aus, hier war einzig die Drogen- und Suchtkommission unter der Grünen Drogenbeauftragten Christa Nickels ein wirklich kompetentes und unabhängige Gremium.
Wichtige Vertreter einer akzeptierende Drogenarbeit wie akzept – Bundesverband für eine akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik oder die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin fehlen unter den Mitgliedern des Drogen- und Suchtrates.
Dass es auch anders geht, zeigt der Nationale AIDS-Beirat, hier sind Praktiker und Mediziner, Wissenschaftler und Aktivisten vereint. Deren Mitglieder werden sogar auf der Homepage des Gesundheitsministerium vorgestellt, während Frau Dyckmans über Monate dem Parlament nicht einmal die Namen der Mitglieder ihres Rates verraten wollte. Der Grundsatz, Betroffene, in diesem Fall Menschen mit HIV / AIDS überall zu beteiligen, wird im AIDS-Beirat ebenfalls ernst genommen – Frau Dyckmans ist diese Ansatz scheinbar egal.
Welche Maßnahmen im Bereich Schadensminderung (Harm Reduction) helfen würden das weiter reale Drogenelend in Deutschland zu mindern und die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit illegalierten Drogen zu senken sind der Drogenbeauftragten bekannt. Sie selbst lobt Spritzentausch, Konsumräume und Co. in ihrem Schriften, nur leider setzt sie sich nicht aktiv dafür ein. In ihrem eigenen Bericht ist deutlich erkennbar wo die Probleme liegen: In den Ländern mit einer rückständigen Drogenpolitik wie Bayern steigt die Zahl der Drogentoten, in NRW und Berlin sinkt sie. Die Verfügbarkeit der von Dyckmans gepriesen Instrumenten korreliert hier direkt mit der Zahl der Todesfälle, aber die Drogenbeauftragte scheut sich, selbst diese einfache Tatsache zu nennen.
Ebenso wird die konstant bleibende Zahl der substitutierenden Ärzte neben der steigenden Zahl der Patienten genannt und von Treffen zu dem Problembereich „Drogen und Strafvollzug“ berichtet, mögliche politischen Konsequenzen nennt Frau Dyckmans nicht. Dabei ist gerade die Methadonbehandlung in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. Zusammen mit den anderen Maßnahmen der Schadensminderung senkt sie die Zahl der Drogentote und Drogenschäden, führt zu weniger Beschaffungskriminalität und reduziert auch die Nachfrage auf dem Drogenschwarzmarkt. All das ist inzwischen anerkannter Stand der Wissenschaft, aber solange in einigen Teilen von Deutschland das Angebot unter der Nachfrage – gerade im ländlichen Raum oder im Strafvollzug – bleibt, werden die Drogenprobleme auf dem bekannten hohen Niveau stagnieren.
Bei Thema „Legal Highs“ versagt Dyckmans total, sie warnt zusammen mit dem BKA vor der „möglichen Strafbarkeit“ dieser Substanzen. Ansonsten setzt sie weiterhin auf Verbote, unbeachtet der Tatsache dass der höchst innovative und flexible Drogenmarkt sich davon völlig unbeeindruckt zeigt und schneller neue Substanzen auf den Markt bringt als sie verboten werden können.
Es war ein großer Erfolg für die Drogenpolitik in Deutschland war der Wechsel des Büros der Drogenbeauftragte aus dem Innenministerium in das Gesundheitsresort. Umso bedenklicher stimmen die Teile des Drogenberichtes, die sich auf illegalisierte Drogen beziehen und die so klingen, als seien sie direkt vom BKA geschrieben. Zum Beispiel werden aus „verstorbenen Drogenabhängige“ plötzlich „Rauschgifttote“. Das BKA tritt für eine völlig einseitige Drogenpolitik ein, für einen Export von Repression in die Erzeugerländer und eine Fixierung auf Repression für Deutschland. Wie Studien des Gesundheitsministerium selbst belegen, werden hierfür von der Politik enorme Mittel bereitgestellt, während die Bereiche Therapien und Hilfe an allen Ecken und Enden unterfinanziert sind. Die DHS wies in ihrem aktuellen Jahrbuch Sucht ebenfalls auf die Finanzierungsprobleme der Prävention und Beratung hin, die Folge sind Beschaffungskriminalität und noch mehr Drogenelend.
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