BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mecklenburg-Vorpommern

Debatte um Organspende muss weitergehen

Der Bundestag hat eine Reform des Transplantationsrechts beschlossen. Sie enthält viel Gutes, aber auch einige problematische Regelungen. Insbesondere wird die Koordination der Organspende in Deutschland zu wenig kontrolliert.

04.06.12 –

Am 25. Mai 2012 hat der Bundestag eine Gesetzesreform der Organspende beschlossen. Die Reform bestand aus zwei Gesetzentwürfen:

Der erste Gesetzentwurfe beruht auf einem Kompromiss aller Fraktionen des Bundestages. Sie führt die sogenannte „Entscheidungslösung“ ins Transplantationsrecht ein. Ziel ist eine breite Aufklärung der Bevölkerung über die Organspende. Krankenkassen müssen zukünftig ihre Versicherten regelmäßig über dieses Thema informieren und dazu auffordern, eine Erklärung abzugeben. Die Aufklärung muss ergebnisoffen sein und die gesamte Tragweite der Entscheidung umfassen, einschließlich des Verhältnisses einer Organspendeerklärung zur Patientenverfügung. Diese Klarstellung ist auf Initiative von Bündnis 90/Die Grünen ins Gesetz eingefügt worden.

Erklärung zur Organspende bleibt freiwillig

Jeder Bürgerin und jedem Bürger steht es weiterhin frei, ob er eine Erklärung zur Organspende abgeben will oder nicht. Sobald die technischen Voraussetzung dafür entwickelt worden sind, können Bürger ihre Organspendeerklärung auch auf der elektronischen Gesundheitskarte eintragen lassen. Eingesehen werden kann diese Information allerdings erst, wenn bei der oder dem Betroffenen der Hirntod festgestellt wurde.

Die Organspendeerklärung kann sowohl vom Versicherten selbst wie auch – mit Zustimmung des/der PatientIn – von der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt eingetragen bzw. geändert oder gelöscht werden. Zusätzlich soll zukünftig auch den Krankenkassen das Recht zugestanden werden, Versicherte bei der Verwaltung dieser Daten zu unterstützen. Dafür sollen sog. „Rückmeldeverfahren“ über die Krankenkassen entwickelt werden.

Bruch mit bisherigen Datenschutzstandards

Diese Möglichkeit wurde von der Mehrheit der grünen Bundestagsfraktion sehr kritisch gesehen. Bei der Regelung handelt es sich um einen Bruch mit der bisherigen Datenschutz-Systematik der eCard. Bisher stellte das Gesetze ausdrücklich klar, dass Krankenkassen Daten des Versicherten weder speichern, lesen, bearbeiten oder löschen dürfen. Die geplante Aufweichung birgt auch nach Ansicht von Experten wie dem Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar, der Bundesärztekammer sowie der Verbraucherzentrale Bundesverband die Gefahr, dass das Vertrauen sowohl in die Organspende wie auch in die eCard an sich gestört wird. Bündnis 90/Die Grünen haben deshalb ein Zugriffsrecht der Kassen bislang immer strikt abgelehnt. Wir haben daher einen entsprechenden Änderungsantrag eingebracht, der allerdings mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP abgelehnt wurde.

Verbesserung der Abläufe in Krankenhäusern

Neben dem Gesetzentwurf zur Entscheidungslösung hat die Bundesregierung einen weiteren Gesetzentwurf eingebracht, der in weiten Teilen der Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Qualität und Sicherheit von Organspenden dienen soll. Neben vielen kleineren Präzisierungen und Klarstellungen  werden darin beispielsweise Vorgaben zur Identifikation von Spendern, zur Dokumentation von Organtransplantationen und zur Reaktion bei unerwarteten Zwischenfällen gemacht. Die Vorgaben für das Entnahmeverfahren und die beteiligten Krankenhäuser werden präzisiert. Zudem werden alle Krankenhäuser grundsätzlich verpflichtet, einen Transplantationsbeauftragten zu bestellen.

Darüber hinaus erhält die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) als Koordinierungsstelle das Recht, umfassende Verfahrensanweisungen für die Krankenhäuser zu erlassen. Auch die Weitergabe von Spender- und Empfängerdaten an Dritte wird unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, auch eine Verwertung für kommerzielle Forschungsvorhaben. Als Reaktion auf die jüngsten Vorwürfe gegenüber der DSO werden die Kontrollrechte der gesetzlichen Krankenversicherung, der Bundesärztekammer und der Deutschen Krankenhausgesellschaft, die bislang schon im Stiftungsvertrag festgelegt waren, im Gesetz kodifiziert. Zudem verbessert das Gesetz die sozialversicherungsrechtliche Absicherung von Lebendspendern.

Daten für die kommerzielle Forschung?

Wir begrüßen dieses Gesetzentwurf zwar grundsätzlich, insbesondere die Einführung von Transplantationsbeauftragten und die bessere Absicherung von Lebendspendern. Allerdings lehnen wir es ab, dass zukünftig sensible gesundheitsbezogene Daten von Organspendern und –empfängern zu Forschungszwecken an Dritte weitergegeben werden können. Die von der Koalition vorgeschlagene Regelung weicht die bisher bestehenden strengen Datenschutzvorgaben des Transplantationsrechts auf und erlaubt die Verwendung von Daten nunmehr auf für kommerzielle Forschungszwecke, beispielsweise der pharmazeutischen Industrie. Die Bundesregierung konnte die Notwendigkeit einer solchen Aufweichung bislang – auch auf Nachfrage – nicht begründen.

Keine wirksame Kontrolle der DSO

Kritisch sehen wir zudem, dass die Koalition auf die jüngst bekannten Missstände bei der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) nicht adäquat reagiert hat. Gleichzeitig schafft der Gesetzentwurf umfassende neue Recht für die DSO. Insbesondere der Erlass von Verfahrensanweisungen durch die DSO sollte aufgrund der jüngsten Skandale überdacht werden. Die bisherige Organisation der DSO als private Stiftung ermöglicht kaum eine wirksame Kontrolle. Dies ist aber von entscheidender Bedeutung, um einen weiteren Vertrauensverlust in der Bevölkerung und beim medizinischen Personal in Kliniken zu vermeiden.

Die DSO war im letzten halben Jahr in die Kritik geraten wegen Vorwürfen der unsachgemäßen Verwendung von Geldern, des angeblichen Mobbings von Mitarbeitern, des Einsatzes nicht approbierter Ärzte und ethisch fragwürdiger Haltungen zu Behandlungen am Lebensende. Diese Missstände sind auch auf einen Mangel an rechtlichen Kontrollmöglichkeiten zurückzuführen. Wir plädieren daher für eine Rechtsform, die mehr Transparenz und Kontrolle zulässt. Denkbar wäre beispielsweise eine Anstalt öffentlichen Rechts.

Die Festschreibung bereits existierender Kontrollpflichten im Gesetz, wie sie die Koalition nun mit einem übereilten Änderungsantrag vorgenommen hat, ist im Grunde die Beibehaltung des Status Quo. Aus unserer Sicht ist diese Regelung absolut unzureichend und nicht geeignet, die Probleme bei der DSO wirksam zu beheben. Leider wurde unser Wunsch, dass Gesetzgebungsverfahren zu entschleunigen und nach einer wirklich tragfähigen und zielführenden Lösung zu suchen, von der Koalition und der SPD nicht berücksichtigt.

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