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11.10.12 –
Nachdem bereits im Frühjahr erhebliche Kritik an der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) wegen ihrer fragwürdigen Haltung sowohl in finanziellen wie auch in ethischen Fragen laut wurde, wird das Transplantationssystem weiter von Skandalen erschüttert. Nachdem ein Transplantationschirurg in Göttingen und Regensburg gemeinsam mit mindestens einem Kollegen jahrelang Daten von Wartelistenpatienten manipuliert und diesen so zulasten anderer Schwerstkranker ein Organ verschafft haben soll, wurden jetzt ähnliche Fälle auch aus München bekannt. Die erneute Aufdeckung von Manipulation in Transplantationszentren zeigen, dass es sich bei solchen Vorgängen nicht nur um Einzelfälle handelt.
Wir fordern daher, dass die Koalition endlich ihren Widerstand gegen eine stärkere staatliche Aufsicht im Bereich der Organspende aufgibt. Trotz aller Vorwürfe, die im letzten Jahr im Zusammenhang mit dem Organspendesystem in Deutschland laut wurden, hat sie dies bislang strikt verweigert.
Sowohl die Aufsicht als auch die Koordinierung der Organspende und die Allokation von Organen liegen derzeit allesamt nicht in Händen staatlich beaufsichtigter Einrichtungen – im Gegensatz beispielsweise zu Spanien oder Großbritannien. Insgesamt bestätigt sich der Eindruck, dass das momentane deutsche System viel zu wenig unabhängige (staatliche) Kontrolle zulässt. Obwohl gegen den beschuldigten Arzt aus Göttingen und Regensburg schon einmal wegen Manipulationen ermittelt worden war, konnte er jahrelang weitermachen – ungestört von DSO und den Gremien der Bundesärztekammer (BÄK), die für die Kontrolle des Transplantationswesens in Deutschland zuständig sind.
Auf eine Schriftliche Frage von mir wurde zudem öffentlich, dass in Deutschland systematisch Organe an der Warteliste vorbei vergeben werden. Möglich macht dies eine Ausnahmeregelung in der Richtlinie der Bundesärztekammer, die die Organvergabe in Deutschland regelt. War die Ausnahme ursprünglich nur dazu gedacht, in Einzelfällen als Ultima Ratio Organe direkt vor Ort vergeben zu können, wenn diese sonst drohen zu „verfallen“, machen die Zahlen der Bundesregierung deutlich, dass dieses sogenannte beschleunigte Verfahren sich mittlerweile zu einer gängigen Praxis entwickelt hat. Der Bundesregierung war dies spätestens seit 2009 bekannt. Damals kam eine von ihr in Auftrag gegebene Studie zu dem Schluss, dass dieses Verfahren erhebliche Manipulationsgefahren berge.
Getan hat die Bundesregierung bislang jedoch wenig, um den vielen Missständen bei der Organisation der Organspende abzuhelfen. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr begnügt sich vor allem damit, auf die Verantwortung gerade der Gremien zu verweisen, die ihre Kontrollaufgaben bislang allenfalls sporadisch wahr genommen haben. Die Vorschläge, die gemeinsam mit den Spitzengremien erarbeitet wurden, sind pure Kosmetik. Sie verfolgen vor allem das Ziel, das bestehende System unverändert durch die Krise zu retten. Die Koalitionsfraktionen und auch die SPD haben sich – anders als Bündnis 90/Die Grünen – der Debatte über Reformen im Frühjahr noch strikt verweigert, als die Vorwürfe gegenüber der Deutschen Stiftung Organtranstransplantation (DSO) öffentlich wurden. Der völlig überhastete Abschluss des Transplantationsgesetzes war ihnen damals wichtiger als die Schaffung einer Struktur, die Transparenz und Kontrolle zulässt.
Die Bundesregierung muss sich endlich damit beschäftigen, inwieweit das deutsche Transplantationssystem durch Intransparenz und Kontrolldefizite Manipulationen Tür und Tor öffnet. Das gilt auch und insbesondere für die Verteilung von Spenderorganen. Überprüfenswert scheinen zum Beispiel auch das Zustandekommen und die Umsetzung der sogenannten Allokationsrichtlinien bei der BÄK. Auch sollten sämtliche Prüfberichte der Kontrollgremien für die Zukunft und die Vergangenheit offen gelegt werden.
Das Vertrauen der Bevölkerung in das deutsche Organspendesystem ist durch die Vorfälle in Göttingen, Regensburg und München massiv beschädigt. Durch Alibi-Maßnahmen und Schnellschüsse lässt sich das Vertrauen nicht zurückgewinnen. Jetzt ist der Zeitpunkt, alles auf den Tisch zu packen und offen und ehrlich zu diskutieren. Wenn hier nicht endlich insgesamt mehr Transparenz geschaffen wird, ist eben dieses Vertrauen für immer verloren.
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