Repression ist der falsche Weg

Internationale und nationale Fachleute diskutierten auf Einladung der grünen Bundestagsfraktion, welche Folgen die repressive internationale Drogenpolitik für Menschenrechte, Sicherheit und Gesundheit hat.

15.03.12 –

Am 5. März 2012 fand das grüne Fachgespräch "Internationale Drogenpolitik in der Sackgasse" im Deutschen Bundestag statt. Internationale und nationale Fachleute, VertreterInnen von politischen Stiftungen und der Zivilgesellschaft diskutierten auf Einladung der grünen Bundestagsfraktion, wie sich die repressive internationale Drogenpolitik auf Menschenrechte und Sicherheit in Produzenten- und Transitstaaten auswirkt, inwiefern diese Verhältnisse durch unsere nationale Drogenpolitik beeinflusst werden und welche Alternativen zur aktuellen Politik denkbar sind.

In seiner Begrüßung betonte Tom Koenigs, Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, es sei unverantwortlich das Drogenproblem an Produzentenstaaten abzuschieben. Die Nachfrage bestimme das Angebot. Drogenwirtschaft sei Marktwirtschaft, deren Spielraum lediglich vergrößert oder verkleinert werden könne. Offensichtlich sei die repressive Strategie nicht der geeignete Weg. Vielmehr führe sie zu schweren Menschenrechtsverletzungen, Gewalt und exorbitanten Gewinnen der Drogenmafia. Da die höchsten Gewinne der Drogenmafia bei uns in den Konsumentenstaaten gemacht werden, müssten auf der Nachfrageseite Lösungen entwickelt werden.

Im ersten Panel, das von Tom Koenigs moderiert wurde, ging es um die Auswirkungen der Prohibition auf Anbau- und Transitstaaten sowie die Funktionsweise der internationalen Drogenökonomie. Martin Jelsma (Transnational Institute) erläuterte die Entstehung des UN-Drogenkontrollregimes und die Eskalation des vor allem von den USA geförderten "Krieg gegen Drogen". In den letzten Jahrzehnten habe dieser weltweit zu Menschenrechtsverletzungen, einem Anstieg an Gefängnisinsassen und zur mangelhaften Aufklärung und Gesundheitsversorgung von Abhängigen geführt.

Nik Steinberg (Human Rights Watch) hob hervor, dass in  Mexiko nur schwer zwischen Menschenrechtsverletzungen durch organisierte Kriminalität auf der einen und Militär und Polizei auf der anderen Seite unterschieden werden könne. Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat seien kaum mehr vorhanden. Regierungen sollten stärker Druck auf die mexikanische Regierung ausüben und deren militärische Strategie in Frage stellen.

Ana Paula Hernández (Global Fund for Human Rights) betonte, die Entkriminalisierung von Drogen könne zwar nicht allein das Problem der organisierten Kriminalität lösen. Da Drogen aber noch immer Haupteinnahmequelle seien, würde sie aber entscheidend dazu beitragen. Notwendig sei eine menschenrechtskonforme Strategie, die sich auf soziale und wirtschaftliche Entwicklung, Prävention und Aufklärung konzentriert.

Daniel Brombacher (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) erläuterte, dass sich die organisierte Drogenkriminalität vor allem dort ansiedele, wo das Risiko am geringsten und die Permissivität am höchsten sei. Da das Risiko von Drogenhändlern mit zunehmender Nähe zu Konsumentenmärkten ansteige, nähmen auch deren Gewinne exponentiell zu. Drogenpolitiken in Konsumentenstaaten hätten also entscheidenden Einfluss auf die Verhältnisse in Konsum- und Transitstaaten.

Im zweiten Panel, vom drogenpolitischen Sprecher der Fraktion Harald Terpe moderiert, ging es um Auswirkung der repressiven Drogenbekämpfungsstrategie auf Konsumentenstaaten wie Deutschland.

Der ehemalige Chef der europäischen Polizeibehörde EUROPOL, Max-Peter Ratzel, verwies zunächst auf das Primat der Politik bei der Ausgestaltung der Drogenpolitik. Diese setze die Rahmenbedingungen, in denen die Polizei agieren müsse. Ratzel lobte die in den vergangenen Jahren in Deutschland gegenüber der Repression gestiegene Bedeutung des gesundheitlichen Aspektes. Er zeigte sich indes skeptisch, dass es durch eine Legalisierung gelingt, die Organisierte Kriminalität nennenswert zu bekämpfen. Diese würde einfach auf andere Geschäftsfelder ausweichen. Ratzel zeigte sich aber offen dafür, unterschiedliche Ansätze in der Drogenpolitik auszuprobieren.

Prof. Dr. Heino Stöver, geschäftsführender Direktor des Instituts für Suchtforschung Frankfurt am Main und Vorsitzender von "akzept e.V.", verwies auf einen nicht auflösbaren Gegensatz zwischen gesundheitlich orientierten Strategien und der Repression. Mehr Hilfen insbesondere für Abhängige könnten nur dann wirksam sein, wenn es den repressiven Rahmen nicht mehr gäbe. Aus seiner Sicht sei die Repression gescheitert. Viele Gesundheitsprobleme  von Konsumentinnen und Konsumenten seien der herrschenden Drogenpolitik geschuldet und nicht Folge des Drogenkonsums. Stöver verlangte eine stärkere Evidenzbasierung der Drogenpolitik. Es gäbe eine geradezu "putineske Verdummungsstrategie". Die weitgehende Wirkungslosigkeit und die negativen Folgen der Repression dürften nicht länger verdrängt werden.

In der von Tom Koenigs moderierten Abschlussdiskussion wurden Alternativen zur repressiven internationalen Drogenpolitik erörtert. Martin Jelsma betonte wie wichtig es sei, das bestehende UN-Vertragssystem zu ändern. Daher müssten endlich Wege gefunden werden, dies (auch) politisch durchzusetzen.

Max-Peter Ratzel äußerte sich skeptisch, dass Veränderungen innerhalb weniger Jahre erreicht werden können. Auf UN-Ebene seien große Schritte schwierig, da sich nach dem Konsensprinzip 193 Staaten einigen müssen. Man werde auf kleine, angepasste Lösungen hinarbeiten müssen.

Aufgrund der Komplexität des Drogenproblems, so Daniel Brombacher, konzentriere sich die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) in Anbau- und Transitstaaten auf Lösungsansätze auf lokaler Ebene. Der Handlungsspielraum sei begrenzt, schließlich könne auch die deutsche EZ nicht losgelöst von den Konventionen agieren, die Deutschland unterzeichnet hat. Zur Eindämmung von Gewalt und Korruption in Drogenökonomien schlug Brombacher vor, kleine, innovative Modelle zu entwickeln und Verhandlungslösungenen mit den jeweiligen Akteuren zu suchen.

Nik Steinberg wies auf die chronische Unterfinanzierung der mexikanischen Polizei hin. Gleichzeitig müsse eine bestimmte monatliche Festnahme-Quote erfüllt werden. Dies befördere Korruption und willkürliche Verhaftungen. "Narco-Staaten" wie Mexiko bräuchten Unterstützung bei Justiz- und Polizeireformen.

Hans-Christian Ströbele, Mitglied des Auswärtigen Ausschuss betonte, repressive Maßnahmen hätten zu keiner Verbesserung geführt, sodass nun alle anderen möglichen Wege ausprobiert werden müssten. Zunächst sollten  Drogen entsprechend ihrer Gefährlichkeit klassifiziert werden. Cannabis, als eine der am wenigsten gefährlichen Drogen, müsse legalisiert und kontrolliert – zum Beispiel auf Rezept in Apotheken – abgegeben werden. Auf internationaler Ebene solle man gezielt Initiativen derer unterstützen, die sich gegen eine Militarisierung des "War on Drugs" aussprechen.

Ana Paula Hernández betonte die Bedeutung von Aufklärungsmaßnahmen. Die mexikanische Regierung rechtfertige die repressive Strategie damit, Drogen von  jüngeren Generationen fernhalten zu wollen. Die Wahrscheinlichkeit mit Drogen in Kontakt zu kommen sei für junge Menschen aber immer groß, so Hernandez. Viel entscheidender sei deshalb, wie sie damit umgingen. Daher müssten Bildung und Aufklärung gestärkt werden.

Prof. Dr. Heino Stöver machte sich nochmals für die Entkriminalisierung von Konsumenten stark. Konkrete Schritte seien, die Eigenbedarfsmengen hochzusetzen und einen kontrollierten legalen Zugang zu Drogen zu ermöglichen. Informationen über Orte, an denen Drogen kontrolliert abgegeben werden, sollten im Internet zugänglich sein. Gesundheitsrisiken – etwa durch unreine Stoffe oder infizierte Spritzen – könnten so besser eingedämmt werden.

Tom Koenigs plädierte für ein Ende der ineffektiven Militär-Strategie im Kampf gegen Drogen.  Zu viele Menschen, vor allem in Zentralamerika, hätten ihr Leben lassen müssen. Auf nationaler Ebene solle eine unabhängige Evaluierung der aktuellen Drogenpolitik angestrengt werden, um erfolgversprechende und kontraproduktive Maßnahmen identifizieren zu können.

Die Abschlussworte des Fachgesprächs gehörten Harald Terpe. Das Fachgespräch habe gezeigt, dass die Probleme in Mexiko ihren Ursprung auch bei uns hätten. Deutschland habe eine erhebliche Verantwortung für eine mehr am Menschen orientierte Drogenpolitik. Der Atomausstieg zeige, dass Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen könne.

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