Cannabis kontrolliert abgeben - Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau

Dr. Harald Terpe und Katja Dörner haben am 11.04.2016 einen Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau zum Thema Cannabis veröffentlicht.

12.04.16 –

Wenn Erwachsene die Droge in lizensierten Läden erwerben, trocknet der Schwarzmarkt aus.

Kofi Annan war lange ein Verfechter einer repressiven Drogenpolitik. Unlängst plädierte er aber in einem starken Beitrag dafür, den Krieg gegen Drogen zu beenden. Die drogenfreie Welt sei eine Illusion, schrieb der ehemalige Generalsekretär der UN. Vielmehr sei der Krieg gegen Drogen ein Krieg gegen die Menschen, der mehr Elend anrichte als die Rauschmittel selbst. Zu Recht hat er die deutsche Bundesregierung aufgefordert, sich bei der im April anstehenden Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen zur Weltdrogenpolitik (UNGASS 2016) für einen Wandel in der internationalen Drogenpolitik stark zu machen. Wir sind der Meinung: Innenpolitisch sollte Deutschland jetzt einen wichtigen Schritt gehen und die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene ermöglichen.

Die Bundesregierung sieht sich selbst an der Spitze einer modernen Drogen- und Suchtpolitik. Die Verbotspolitik funktioniert aber nicht. Dies lässt sich auch mit Blick auf Cannabis klar nachweisen. In Deutschland gebrauchen rund 2,3 Millionen volljährige Bürgerinnen und Bürger Cannabis; knapp ein Viertel aller 15- und 16-jährigen Schülerinnen und Schüler haben es schon konsumiert. Erst kürzlich legte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, die aktuellen Zahlen zum Cannabiskonsum von Minderjährigen im Rahmen der Drogenaffinitätsstudie vor. Knapp jeder Zehnte 12- bis 17-Jährige hat bereits Cannabis konsumiert. Das Verbot verhindert also den Konsum nicht. Was es verhindert, ist eine glaubwürdige Prävention sowie wirksamen Jugend- und Verbraucherschutz.

Die Kriminalisierung der Konsumentinnen und Konsumenten ist unverhältnismäßig. Sie hat einen Schwarzmarkt entstehen lassen, der für die organisierte Kriminalität beste Geschäfte garantiert, und sie kostet Polizei und Justiz Personal und Zeit ohne die Geschäfte der organisierten Kriminalität auch nur im Ansatz zu verhindern. Gerade weil Cannabis insbesondere für Minderjährige alles andere als harmlos ist, gehört es nicht in die Hände der organisierten Kriminalität. Statt sinnvolle Alternativen für einen besseren Jugendschutz und glaubhafte Suchtprävention vorzuschlagen, klammert sich die Drogenbeauftragte der Bundesregierung an ihre Verbotspredigt und Hochglanzbroschüren. Die Argumentation von Frau Mortler, der Anstieg des Cannabiskonsums unter Jugendlichen sei auf die Legalisierungsdebatte zurückzuführen, ist nicht nur haltlos sondern auch abwegig. Die Zeit ist reif für eine sachliche Debatte und einen Neustart in der Cannabis-Politik.

Mit dem von der grünen Bundestagsfraktion ausgearbeiteten Cannabiskontrollgesetz soll ein streng kontrollierter und regulierter Markt für Cannabis etabliert werden. Erwachsene sollen künftig maximal dreißig Gramm in einem lizensierten Fachgeschäft erwerben oder drei Pflanzen zuhause anbauen dürfen. Der Verkauf oder die Weitergabe an Jugendliche bleibt verboten und wird bestraft. Jugendliche werden so besser vor dem Konsum von Cannabis geschützt als heute, denn der Schwarzmarkt für Cannabis wird durch den regulierten Markt ausgetrocknet. Und während im Fachgeschäft das Alter streng kontrolliert wird, fragt der Dealer im Park heute wohl kaum nach dem Ausweis.

Auf dem Schwarzmarkt werden Produkte vertrieben, die einen sehr hohen Wirkstoffgehalt haben oder mit Glas, Blei oder anderen Stoffen verunreinigt sind. Damit wird die gesundheitliche Gefährdung der Konsumentinnen und Konsumenten bewusst in Kauf genommen. Die gesamte Handelskette für Cannabis zu regulieren, schützt vor diesen Gefahren. Konsumentinnen und Konsumenten wollen wissen was das gekaufte Produkt tatsächlich enthält. Angaben über Inhaltsstoffe und die Konzentration der Wirkstoffe auf dem Beipackzettel ermöglichen die nötige Transparenz.

Die deutsche Drogenpolitik ist rückständig. Etliche Länder in der Europäischen Union wie auch in Nord- und Südamerika haben in den vergangen Jahre ihre Drogenpolitik umgekrempelt – weg von der Verbotspolitik. Die Erfolge sprechen für sich. Auch in einigen deutschen Kommunen und Bundesländern gibt es Bestrebungen, Cannabis zu regulieren. Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hat mit seinem Antrag an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf ein Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe für Cannabis einen Weg aus der nichtfunktionierenden Verbotspolitik beschritten. Auch in Hamburg und Nordrhein-Westfalen gibt es Initiativen. Modellprojekte können ein erster Schritt sein. Doch notwendig ist eine bundesweite Regelung.

Die kontrollierte Abgabe von Cannabis und die Entkriminalisierung der Konsumentinnen und Konsumenten würden viele Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ein offener Umgang mit Cannabis ermöglicht nicht nur eine besseren Jugend- und Verbraucherschutz, sondern auch wirksame Suchtprävention sowie besseren Zugang zu Beratungs- und Hilfsangeboten. Die Experten-Anhörung zum Cannabiskontrollgesetz im Gesundheitsausschuss des Bundestages im März hat ein klares Signal gegeben, die ideologische Scheuklappen-Politik im Bereich Cannabis zu beenden. Eine weitergehende Entkriminalisierung von erwachsenen Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten ist Konsens unter den Fachleuten. Die letzten Dinosaurier sollten einsehen, dass ihr Festhalten an der Verbotspolitik überholt und argumentativ nicht mehr haltbar ist.

 

Quelle: Frankfurter Rundschau, 11.04.2016

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Kategorie

Drogen & Sucht