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24.06.13 –
In Neuseeland wird diesen Sommer eine Trendwende in der Drogenpolitik vollzogen.
von Michael Stöckel
In Neuseeland setzt sich ein breites Bündnis aus allen Parteien dafür ein, den Markt für neue psychoaktive Substanzen zu regulieren. Das Argument des Jugendschutzes spielt hierbei eine herausragende Rolle. Das revolutionäre an dieser Verordnung ist, dass ein Regulierungs- und Entkriminalisierungsansatz im Gegensatz zu einen Verbotsansatz Inhalt der Drogen- und Suchtpolitik ist. Das bedeutet die Einsicht, dass mit dem strikten Verbot von Substanzen durch die Aufnahme in Betäubungsmittelgesetze keineswegs das Drogenproblem aus der Welt geschafft ist. Es wird dadurch sogar verschärft. Durch Prohibition drängt der Staat die Konsumenten auf problematische Schwarzmärkte. Und er stiftet die Produzenten zur Entwicklung von immer neueren und unbekannten Substanzen an. Die Erkenntnis, dass Drogen konsumiert werden und es daher besser wäre sie zu regulieren und beispielsweise mit Auflagen des Jugendschutzes zu belegen, ist ein großer Sprung, der auch für europäische Staaten richtungsweisend ist.
Revolutionär ist somit, dass die neuen psychoaktiven Substanzen zum ersten Mal ähnlich wie Alkohol behandelt werden. Die Produzenten der legal highs müssen ihr Produkt zulassen. Dieser Prozess garantiert, dass von den Substanzen nicht mehr als ein niedriges Schadensrisiko ausgeht. Wie bei Alkohol und Zigaretten ist den Konsumenten also das Risiko ihres Konsums weitgehend klar.
Die legal highs sind seit Jahren ein großes Problem in Neuseeland, denn sie waren in Lebensmittelläden und Kiosken im ganzen Land einfach und meist ohne Alterskontrollen verfügbar. Diese kleinen Päckchen haben, wie hierzulande, unscheinbare Namen, wie Kräutermischung, Pflanzennahrung, spice, Badesalze, party pills etc. Auch in Deutschland werden sie über das Internet und in Head Shops vertrieben. Diese Mischungen werden unter Angabe von missverständlichen Produktnamen deklariert und verkauft. Das Ziel ist es, das Betäubungsmittelgesetz zu umgehen. Die Behörden versuchten zwar mit Verboten von einzelnen Substanzen der Situation Herr zu werden, jedoch sind die staatlichen Kontrolleure in diesem Katz und Maus Spiel immer ein Schritt hinter den legal highs Produzenten.
Ein hohes Risiko geht von diesen Produkten deswegen aus, weil die Konsumenten oft nicht wissen welche Substanzen und in welcher Konzentration sie einnehmen. Die Zusammenstellung der verschiedenen Produkte variiert stark und Konsumenten können das Risiko nicht abschätzen.
Die leichte Zugänglichkeit der legal highs in Neuseeland machte diese Drogen vor allem bei Minderjährigen populär. Nun will man explizit die Jugend durch diese Regelung schützen. Die Problematik würde sich also nur auf andere Substanzen verlagern, würde man damit fortfahren, einfach jede neue auf dem Markt erschienene Substanz zu verbieten.
In Neuseeland kommt die spezielle Situation hinzu, dass das Verbot von einzelnen Substanzen nur zeitweise möglich ist. Dadurch, dass viele temporäre Verbote für Substanzen im August 2013 auslaufen werden, ist die Regierung unter starkem Zeitdruck ein regulatives System für psychoaktive Substanzen zu entwickeln und einzuführen.
Dieses regulative Regime soll nun die Qualität der Produkte überprüfen und sie einem Zulassungsverfahren unterwerfen. Am Ende soll ein System aufgebaut werden, dass nicht einzelne Substanzen auf dem Markt zulässt, sondern die fertigen psychoaktiven Produkte der einzelnen Hersteller einem Zulassungsverfahren unterwirft. Das Verfahren wird von Behörden ausgeführt, die ähnlich wie die Lebensmittelaufsicht dem Gesundheitsministerium unterstehen.
Dabei sind alle Kosten für Test der Markteinführung von den Produzenten selber zu tragen. Ziel ist es festzustellen, ob von einem Produkt mehr als nur ein niedriges Schadensrisiko ausgeht.
Bei der Zulassung des Produktes wird die Zulassungsstelle ebenfalls über die Markteinführungsbedingungen des Produktes entscheiden. Das bedeutet, dass jedes Produkt angepasste und umfangreiche Produktinformation aufweisen muss. Außerdem werden Informationen zur Dosierung, Konsumempfehlungen, und Stärke der Substanz angegeben werden müssen. Des Weiteren wird es Auflagen auf der Verpackung geben zur Angabe von Notfallrufnummern und Nummern der Suchthilfe. Sehr restriktiv werden auch die Vorschriften zu Verkaufspunkten, Alterskontrollen und der örtlichen Darstellung (Verbot von Werbung) der Produkte sein.
Dieses umfassende System der legalen Regulierung von psychoaktiven Substanzen kann richtungsweisend für eine erkenntnisorientierte und moderne Drogenpolitik sein. Dennoch schließt das neuseeländische Gesetz bisher nur synthetische Substanzen ein. Während der Parlamentsdebatte wurde auch klar, dass progressive Parlamentarier die Regulierung gerne auch auf natürliche psychoaktive Substanzen wie etwa Cannabis, ausweiten würden. Dies wird jedoch von den Konservativen bislang abgelehnt.
Nichtsdestotrotz bleibt der Ansatz dieser Regulierung ein großer Fortschritt auf dem Weg zu einem regulierten Markt für alle psychoaktive Substanzen. Der Fortschritt ist deswegen zustande gekommen, da sich mutige Parlamentarier im Rechtsausschuss des Parlaments zusammengesetzt haben, und unvoreingenommen, die überholte Drogenpolitik des Landes analysierten. So wurde rein nach Kriterien der Maximierung der öffentlichen Gesundheit die Wirksamkeit der repressiven Politik überprüft. Herausgekommen ist ein Ansatz für eine Drogen- und Suchtpolitik, die weitgehend frei von der Prohibitionsideologie ist. Hierzulande kann die Politik von diesem aufgeklärten Ansatz lernen. Der Erfolg des neuseeländischen Ansatzes kann auch hier die Skeptiker überzeugen.
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