Werden privat Versicherte bei der Organvergabe bevorzugt?

Aktuelle Zahlen zur Organvergabe an gesetzlich und privat Versicherte sind aufklärungsbedürftig.

10.10.12 –

Auf der Grundlage von Daten, die mir im Zuge der Beantwortung einer Anfrage vom Bundesministerium für Gesundheit zur Verfügung gestellt wurden, wurde in den Medien der Vorwurf erhoben, privat Versicherte würden bei der Organtransplantation in Deutschland bevorzugt. Ich selbst habe mir diesen Vorwurf nicht zu eigen gemacht. Gleichwohl habe ich gefordert, dass insbesondere die Bundesregierung die bei einigen Organen auffälligen Unterschiede zwischen dem Anteil der privat Versicherten auf der Warteliste und bei den Transplantationen aufklären muss.

 Die Bundesregierung hat jedoch bis jetzt wenig zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen, außer der Behauptung, die Zahlen würden diesbezüglich nichts hergeben. Das Bundesgesundheitsministerium wie auch der Verband der privaten Krankenversicherungen haben es stattdessen vorgezogen, mich persönlich zu diffamieren. Darüber hinaus hat das Ministerium auf eine höhere Sterberate von privat Versicherten auf der Warteliste verwiesen. 

Auch die zentrale Vermittlungsstelle für Organe, Eurotransplant, hat sich vehement gegen den Vorwurf einer Bevorzugung von privat Versicherten bei der Organzuteilung durch sie gewehrt. Aus  meiner Sicht sind Manipulationen auf der Ebene von Eurotransplant nicht wahrscheinlich, weshalb ich Eurotransplant in dieser Sache auch ausdrücklich in Schutz nehmen möchte. 

Dem gegenüber halte ich die vom BMG bislang vorgebrachten Argumente nicht für besonders stichhaltig. So sagt beispielsweise eine vermeintlich höhere Sterberate von privat Versicherten auf der Warteliste noch nichts aus über die tatsächliche Todesursache, etwa ob diese Sterberate auf eine Benachteiligung bei der Organvermittlung zurückzuführen ist; ein ggf. ebenso aufzuklärender Sachverhalt.

Allerdings sind die Daten von 2012 allein nicht ausreichend, um eine signifikante Auffälligkeit zu belegen und statistische Zufälle zu vermeiden. Ich habe daher sowohl Eurotransplant als auch die Bundesregierung um ergänzende Daten aus den vergangenen Jahren (2010 und 2011) gebeten. Aber auch hier zeigen sich vergleichbare (und hier nun signifikante) Auffälligkeiten wie bei den Daten von 2012. 

2007 wurde durch Prof. Dr. Karl Lauterbach sowie den SPD-Bundestagsabgeordneten Dr. Wolfgang Wodarg schon einmal der Vorwurf erhoben, privat Versicherte würden bei der Organvergabe bevorzugt. Ein damals gewichtiges Gegenargument gegen diesen Vorwurf lautete, dass der Anteil der privat Versicherten in der Gesamtbevölkerung keine geeignete Referenzpopulation für den Vergleich mit den Transplantationsdaten ist.

Da aber der tatsächliche Sozialstatus bei der Aufnahme auf die Warteliste nicht erhoben wird, wurde unter anderem empfohlen, einer möglichen sozial bedingten Ungleichbehandlung anhand eines Vergleichs des Versicherungsstatus der Patientinnen und Patienten auf der Warteliste einerseits und der erfolgten Transplantationen andererseits nachzugehen (vgl. Landtag Schleswig-Holstein Drs. 16/1943). Genau dies war Gegenstand meiner Auswertung (siehe Berechnung).

 

Aus den Daten von 2010 und 2011 ergeben sich vor allem bei den ohnehin offenbar manipulationsanfälligen Leberspenden statistisch signifikanteAuffälligkeiten. Wie bereits ausgeführt, glaube ich keinesfalls, dass diese Manipulationen bei Eurotransplant stattfinden. Vielmehr kann es auf der Ebene von Transplantationszentren durchaus Anreize für eine Bevorzugung privat Versicherter geben, beispielsweise auch die nach einer Transplantation notwendige dauerhafte Nachbetreuung der Organempfänger durch die transplantierende Einrichtung. Um die in Rede stehenden Auffälligkeiten noch besser lokalisieren zu können, habe ich bei Eurotransplant auch um Transplantationsdaten der einzelnen Zentren gebeten. Diese liegen mir jedoch bislang nicht vor.

Der – von mir bislang nicht erhobene – Vorwurf, privat Versicherte würden bei der Organvergabe systematisch bevorzugt, trifft das Transplantationswesen verständlicherweise ins Mark. Gerade bei der Organspende erwarten die Menschen, dass es gerecht zugeht. Es ist leider mittlerweile schon fast guter Brauch geworden, denjenigen, die Missstände im Transplantationsbereich intern oder öffentlich benennen, vorzuwerfen, sie gefährden die Organspende in Deutschland. Ich halte es aber für falsch, Probleme und Fehler im Transplantationswesen unter den Teppich zu kehren und die, die sie benennen, auf diese Weise mundtot zu machen. Die im Raum stehenden Vorwürfe müssen von der Bundesregierung und den maßgeblichen Akteuren im Transplantationswesen transparent aufgeklärt werden. Zudem sind strukturelle Änderungen notwendig. Unseren Vorschlag haben wir in einem Antrag zur Reform des  Organspendesystems vorgelegt. Nur so kann verloren gegangenes Vertrauen wiedergewonnen werden. 

Kategorie

Gesundheit