Alkoholpolitik: Strategien und Instrumente

Sind die derzeitigen Strategien und Instrumente geeignet, die riskanten Formen des Alkoholkonsums in Deutschland zu reduzieren oder sind auch andere Maßnahmen nötig? Mit dieser Frage beschäftigte sich ein gut besuchtes grünes Fachgespräch zur aktuellen Alkoholpolitik in Deutschland. ReferentInnen aus der Suchthilfe, der Wissenschaft und der Alkoholindustrie diskutierten, ob in Deutschland genügend getan wird, um alkoholbezogene Schädigungen zu verringern.

Kein Erkenntnisdefizit - sondern ein Umsetzungsdefizit

Rolf Hüllinghorst, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, plädierte für ein größeres Problembewußtsein. Alkohol sei kein normales Konsumgut. Der hohe Konsum von Alkohol sei nicht nur für eine Reihe von schweren Erkrankungen verantwortlich, sondern auch für Verkehrsunfälle, häusliche Gewalt und Kriminalität. Die Instrumente, um die riskanten Formen des Konsums zu reduzieren, seien bekannt, würden in Deutschland aber nicht genutzt. Es gäbe daher kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit. Eine wirksamere Alkoholpolitik müsse sich das Ziel setzen, den Pro-Kopf-Konsum zu verringern und das Trinkverhalten zu verändern.

Gabriele Bartsch, ebenfalls von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, verwies in ihrem Referat über  Alkohol und Alkoholpolitik im internationalen Vergleich darauf, dass sich das Trinkverhalten zwischen Nord- und Südeuropa schrittweise angeglichen habe. So steige der traditionell eher geringe Bierkonsum im südeuropäischen Raum, während Wein im nordeuropäischen Raum stärker konsumiert werde. Anhand von Beispielen stellte sie die Auswirkungen verschiedener politischer Entscheidungen dar. So stieg der Alkoholkonsum in Finnland nach der Senkung der Alkoholsteuern an. In Frankreich habe hingegen eine Kombination aus Maßnahmen zur Einschränkung der Verfügbarkeit, Verhaltensprävention und Werberegulierung eine Senkung des Pro-Kopf-Konsums an reinem Alkohol bewirkt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfehle Einschränkungen der Werbung und der Verfügbarkeit, um die alkoholbezogenen Schäden zu reduzieren.

Kombination aus Verhaltens- und Verhältnisprävention nötig

Auf erfolgreiche Ansätze der Verhaltensprävention verwies Dr. Anneke Bühler vom Institut für Therapieforschung in München. Bei diesen Ansätzen stehe die Beeinflussung der Konsumentinnen und Konsumenten durch den gesellschaftlichen Kontext, durch Medien, Familie, FreundInnen und Schule im Vordergrund. So gäbe es gute Erfahrungen mit familienbezogenen Programmen. Eine große Wirksamkeit werde auch interaktiven schulbasierten Programmen und Frühinterventionen bei gefährdeten Jugendlichen bescheinigt. Isolierte massenmediale Informationskampagnen seien hingegen wirkungslos. Die Verhaltensprävention insbesondere bei Kindern und Jugendlichen müsse weiterentwickelt werden. Dies gelte sowohl für schul- als auch familienbezogene Maßnahmen. Ein weites Handlungsfeld biete die kommunale Suchtprävention.

Ebenso wie Dr. Anneke Bühler forderte Dr. Hans-Jürgen Rumpf von der Universität zu Lübeck eine Kombination aus wirksamen Instrumenten der Verhaltens- und der Verhältnisprävention. So sei es notwendig, sowohl das Angebot wie auch die Nachfrage zu reduzieren. Dabei müßte allerdings die Wirksamkeit der Maßnahmen berücksichtigt werden. Für Deutschland empfahl er unter anderem eine höhere Besteuerung von Alkohol, die Einschränkung des Verkaufs beispielsweise in Tankstellen, eine bessere Kontrolle des Mindestabgabealters sowie ein Werbeverbot.

Senkung des Alkoholkonsums als politisches Ziel?

In der abschließenden Diskussion wurde von Prof. Dr. Gundula Barsch von der Fachhochschule Merseburg die Frage aufgeworfen, ob die pauschale Senkung des Alkoholkonsums ein politisches Ziel sein könne. Es handele sich hierbei lediglich um eine statistische Größe, die die Komplexität des Trinkverhaltens nicht wiedergebe. Es entspann sich zudem eine Diskussion über den Begriff der Trinkkultur und über die sozialen Ursachen des Alkoholkonsums. Zudem wurde die Frage gestellt, ob die Politik es sich nicht zu einfach mache, wenn sie mit Verboten auf vermeintliche Probleme reagiere. Hans-Jürgen Rumpf betonte, die Maßnahmen der Verhältnisprävention seien vor allem für die im Hinblick auf den riskanten Konsum gefährdeten Gruppen geeignet.