Drogen- und Suchtpolitik am Menschen orientieren

Der Konsum psychoaktiver Substanzen war und ist seit jeher Bestandteil menschlicher Kulturen. Auch künftig ist daher eine Welt ohne den Konsum psychoaktiver Substanzen nicht zu erwarten. Wir wollen trotzdem die Kraft und den Willen der Menschen zu einem Leben ohne Drogen stärken, auch wenn wir die Entscheidung zu einem verantwortlichen Umgang mit Drogen achten.

Die grüne Drogenbeauftragte Christa Nickels leitete in ihrer Amtszeit von 1998 bis 2001 einen wichtigen Paradigmenwechsel ein. Drogenpolitik setzt nunmehr nicht mehr ausschließlich auf Repression und die Kriminalisierung der Konsumentinnen und Konsumenten illegaler Drogen. Der Stellenwert der gesundheitlichen Prävention ist deutlich gestiegen, die gesundheitlichen Risiken legaler Drogen wie Alkohol, Tabak oder bestimmter Medikamente sind stärker in das öffentliche Bewusstsein gedrungen.

Seitdem ist jedoch der Wechsel hin zu einer am Menschen und der konkreten Lebenswirklichkeit orientierten Suchtpolitik steckengeblieben. Noch immer werden viele Drogenkonsumentinnen und –konsumenten kriminalisiert. So blockiert die Union beispielsweise sinnvolle Ansätze in der Therapie Schwerstabhängiger, und in der Cannabispolitik herrscht bis weit in die Reihen der Sozialdemokratie ideologische Erstarrung. Auch bei der gezielten Prävention von Abhängigkeit und riskanten Konsumformen ist dagegen wenig Fortschritt zu erkennen.

Prävention: Kern grüner Drogen- und Suchtpolitik

Für uns gehört die Prävention in den Mittelpunkt der Suchtpolitik. Wir setzen auf glaubwürdige und frühzeitige Maßnahmen, die Abhängigkeit und riskante Konsumformen verhindern oder zumindest verringern. Wir halten es aber für falsch und kontraproduktiv, Nutzerinnen und Nutzer von Drogen zu kriminalisieren. Wir wollen den Konsum nicht verteufeln. Wir setzen uns für eine Suchtpolitik ein, die gesundheitspolitisch konsequent gleichermaßen bei illegalen und legalen Drogen sowie stoffungebundenen Süchten handelt.

Wir wollen einen angemessenen Weg gehen zwischen einer staatlich verordneten Abstinenzkultur und einer suchtpolitischen Laissez-Faire-Haltung, die auf die gesundheitlich motivierte Beeinflussung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen verzichtet. Unser Ziel ist daher, sowohl die Instrumente der Verhaltensprävention wie auch der Verhältnisprävention im Sinne einer wirksamen und rationalen Suchtpolitik zu nutzen.

Glaubwürdige und substanzübergreifende Suchtpolitik

Wir setzen hingegen auf eine substanzübergreifende Suchtpolitik mit einem stringenten Mix verschiedener Maßnahmen insbesondere zur Prävention problematischer Konsumformen und von Abhängigkeit. Unser Ziel ist eine Suchtpolitik, die den Willen zur Drogenfreiheit stärkt, die Menschen jedoch, die Drogen konsumieren, zu einem gesundheitlich unbedenklichen oder risikoarmen Umgang mit Drogen und stoffungebundenen Suchtmitteln befähigt und entsprechende Rahmenbedingungen schafft.

Als unglaubwürdig wird auch die Cannabisprohibition angesehen, weil sie die gesellschaftlichen Realitäten mit weit über 3 Millionen Konsumentinnen und Konsumenten in Deutschland vernachlässigt und nicht zwischen unbedenklichen und riskanten Konsumformen unterscheidet.

Überlebenshilfe: Therapie und Schadensminderung

Welches in der individuellen Situation die geeignete Behandlungsoption der Therapie ist (Substitution, zeitweilige Originalstoffgabe, Abstinenz etc.), darf nicht Gegenstand betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften bzw. politischer Vorgaben sein. Für die Finanzierung und die Qualität der Therapie bedarf es klarer Grundsätze, die Stetigkeit und Verbindlichkeit ermöglichen. Den absehbaren Veränderungen in der KlientINNenstruktur und der Suchtmittel (Lifestyledrogen, Medikamente) muss Rechnung getragen werden.

Es gibt im übrigen viele Gründe, warum Menschen den gesundheitlich riskanten Gebrauch von Drogen oder stoffungebundenen Suchtmitteln nicht (mehr) steuern können oder wollen. Dennoch wollen wir diese Menschen nicht ihrem Schicksal zu überlassen. Angebote zur individuellen Schadensminderung für Patientinnen und Patienten müssen niedrigschwellig angelegt sein. Die Kriminalisierung des Drogenbesitzes wirkt sich hier kontraproduktiv für die Betroffenen aus. Wir plädieren dafür, niedrigschwellige Drug-Checking-Programme für bestimmte psychoaktive Substanzen einzuführen, um so zum Beispiel die Schädigung durch gesundheitsgefährdende Beimengungen oder Rezepturen zu verhindern.

Beschluss der Fraktion im Volltext