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Der Drogen- und Suchtbericht 2008 der Bundesregierung bringt es an den Tag: Der notwendige Wechsel zu einer rationalen und am Menschen orientierten Suchtpolitik ist nicht in Sicht. Zwar beschreibt der Bericht die Situation teilweise zutreffend und formuliert auch durchaus unterstützenswerte Forderungen, in der Sache aber, bei den konkreten Maßnahmen, bleibt alles weitgehend beim alten. Ideologie und der starke politische Einfluss zum Beispiel der Alkoholindustrie oder der Glücksspielbetreiber bestimmen ganz maßgeblich die Suchtpolitik der Bundesregierung.
So erschöpft sich die Suchtprävention der Bundesregierung zu einem großen Teil in appellativen und bunten Kampagnen, deren weitgehende Wirkungslosigkeit bei der Reduzierung riskanter Konsumformen und von Abhängigkeit inzwischen erwiesen ist. Die Potenziale der Primärprävention im Sinne einer umfassenden Gesundheitsförderung werden bislang kaum genutzt. Suchtpräventive Maßnahmen müssen jedoch zielgruppengerecht direkt im Lebensumfeld der Menschen ansetzen und das Wissen über die Wirkungen und Risiken des Suchtmittelkonsums verbessern.
Zwar fordert der Bericht die Reduzierung der alkoholbedingten Schäden. Maßnahmen etwa zum Jugendschutz bleiben inkonsequent. Die Folge: So nahm die von Jugendlichen pro Kopf konsumierte Alkoholmenge deutlich zu. Der Anstieg ist vor allem auf den gestiegenen Konsum von Bier sowie bier- und weinhaltigen Mischgetränken, sogenannten Alkopops zurückzuführen. Auch das sogenannte "Binge Drinking" nahm zu. Dennoch verzichtet die Bundesregierung bislang auf eine wirksamere Regulierung zum Beispiel der Alkoholwerbung. Die Jugendschutzbestimmungen bleiben zahnlos, weil Bund und Länder deren Durchsetzung nicht hinreichend kontrollieren. Zudem hintertrieb die Bundesregierung sinnvolle alkoholpolitische Vorschläge der EU-Kommission.
Dass Maßnahmen zur Preissteuerung wirksam sind, zeigt hingegen die noch von Rot-Grün eingeführte Sondersteuer für branntweinhaltige Alkopops. Der Anteil der Jugendlichen, die solche Getränke einmal monatlich konsumierten sank von 28 Prozent im Jahre 2004 auf 10 Prozent im Jahr 2007.
Die Medikamentenabhängigkeit wird nach wie vor unterschätzt. Die Bundesregierung sieht weiterhin in erster Linie ÄrztInnen, ApothekerInnen und PatientInnen in der Verantwortung und scheut sich davor, selbst tätig zu werden. Dabei gibt es allein im Hinblick der epidemiologischen Forschung – insbesondere zu abhängigen Frauen und älteren Menschen - massive Defizite. Auch in der Suchtbehandlung reichen die spezialisierten Angebote für Medikamentenabhängige bei weitem nicht aus.
Auch beim Glücksspiel steckt die Bundesregierung den Kopf in den Sand. So löblich die verstärkten Bemühungen um Aufklärung und Prävention im Rahmen des neuen Staatsvertrages zum Glücksspielwesen sein mögen, so unzureichend sind sie. So sind Geldspielautomaten in Kneipen und Spielhallen für 80 Prozent der behandlungsbedürftigen Spieler verantwortlich. Geldspielgeräte werden im gesamten Bericht jedoch nicht einmal erwähnt, Abhilfe für die Betroffenen – insbesondere suchtpräventive Reglungen für die Spielgeräte - lässt weiter auf sich warten. Nachdem die Bundesregierung im Jahr 2006 das Suchtpotential dieser Geräte durch eine Änderung der Spieleverordnung weiter vergrößert hatte, ignoriert sie nun die Folgen, wie auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen Fraktion zu diesem Thema zeigt (Drs. 16/5687).
Das zunehmende Problem der Medienabhängigkeit, insbesondere der Internet- und Computerspielsucht, wird von der Bundesregierung ebenfalls weitgehend ignoriert. Wie ein Fachgespräch unserer Fraktion am 21. Mai 2007 gezeigt haben, besteht auch hier dringender Handlungsbedarf. Auf diesen haben wir mit einem eigenen Antrag reagiert (Drs. 16/7836).
Auch wenn der Drogen- und Suchtbericht auf die formale Trennung in legale und illegale Drogen weitgehend verzichtet, an der allein auf plumpe strafrechtliche Besitzverbote setzenden Angebotskontrolle und Angebotsreduzierung bei Cannabis ändert sich nichts. Dabei zeigt sich gerade beim Cannabis, dass ein undifferenziertes Verbot keine anderen wirksameren staatlichen Steuerungsinstrumente zulässt. Maßnahmen zur Schadensminderung wie Drug-Checking-Programme oder zur zielgruppengerechten Suchtprävention sind in einem prohibitiven Umfeld schwerlich realisierbar.
Nicht nur die Cannabispolitik auch die Blockade der Koalition bei der Heroinbehandlung für schwer Opiatabhängige Menschen unterstreicht, dass die Suchtpolitik der Bundesregierung eine starke ideologische Komponente hat. Dies wirkt sich zum Beispiel auf die Versorgungsqualität bei Therapie- und Überlebenshilfe für heroinabhängige Menschen aus. Eine wenn auch zaghafte aber insgesamt sinnvolle Weiterentwicklung der Methadonbehandlung wird durch die Union in Bund und Ländern bislang verhindert. Wir haben in unserem Antrag zur Heroinsubstitution sinnvolle Vorschläge zu deren Weiterentwicklung gemacht (Drs. 16/8212).
Eine Übersicht aller parlamentarischen Initiativen zur Drogenpolitik finden Sie hier.