Nur ein Spiel?

Die überwiegende Mehrheit der Glücksspielerinnen und -spieler, die eine Suchthilfeeinrichtung aufsuchen, sind abhängig von Geldpielautomaten. Dennoch werden solche Geldspielgeräte rechtlich nicht als Glücksspiel behandelt. Mit den Folgen und suchtpolitischen Konsequenzen beschäftigte sich ein Fachgespräch der Bundestagsfraktion mit dem Titel "Nur ein Spiel? Suchtpolitischer Handlungsbedarf bei Geldspielgeräten". Fachgespräch "Nur ein Spiel?" Suchtpolitischer Handlungsbedarf bei Geldspielgeräten.

Nach der Begrüßung durch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christine Scheel MdB gab Ilona Füchtenschnieder, Vorsitzende des Fachverbandes Glücksspielsucht, einen kurzen Überblick über die derzeitige Ausgangssituation. Sie betonte, dass trotz eines Verbotes im Jugendschutzgesetz viele der behandelten Süchtigen angaben, ihren Erstkontakt mit Geldspielgeräten bereits im Kindes- und Jugendalter gehabt zu haben. Sie schilderte die Folgen einer solchen Spielsucht für die Betroffenen selbst (hohe Verschuldung, Begleitkriminalität, familiäre Probleme, Arbeits- und Wohnungsverlust, hohe Suizidalität) und für die Gesellschaft insgesamt (Behandlungskosten, Arbeits- und Kaufkraftverlust) und forderte einen Ausbau der Beratungs- und Hilfsmöglichkeiten sowie eine Abbau von Geldspielgeräten in gastronomischen Einrichtungen. Fachgespräch "Nur ein Spiel?" Suchtpolitischer Handlungsbedarf bei Geldspielgeräten.

Anschließend erläuterte Tobias Hayer, Diplom-Psychologe am Institut für Psychologie und Kognitionsforschung der Universität Bremen, die suchtrelevanten Faktoren bei der Ausgestaltung von Geldspielgeräten. Er machte deutlich, dass die 2006 erfolgte Novellierung der Spielverordnung das Suchtpotential dieser Geräte erhöht hat, indem die einzelnen Spielabläufe schneller gemacht, das Vertriebsnetz ausgeweitet und die möglichen Verluste und Gewinne für die Spielerinnen und Spieler angehoben wurden. Aus der Sicht der Suchtforschung sei die Unterscheidung zwischen Geldspielgeräten und Glücksspiel nicht mehr haltbar. Er gab an, dass laut einer aktuellen Studie der Universität Bremen rund 40% der Einsätze an Geldspielgeräten von Personen mit einem problematischen Spielverhalten stammen und unterstrich, dass insbesondere in Gastronomiebetrieben augenscheinlich der Jugendschutz nicht durchgesetzt werde, da entsprechende Kontrollen fehlten.

In einem weiteren Referat informierte Jürgen Trümper, Geschäftsführer des Arbeitskreises gegen Spielsucht e.V., über die derzeitige Umsetzung der Spielverordnung in der Praxis. Anhand einer bundesweiten Untersuchung seines Arbeitskreises zur Angebotsstruktur von Geldspielgeräten konnte er seit 2000 eine Zunahme der Spielhallenkonzessionen aufzeigen. Informationsmaterialien zu Suchtgefahren lägen anders als durch die Spielverordnung gefordert allerdings nur in rund der Hälfte der besuchten Einrichtungen aus. Ein vollständiger Abbau der seit der Novellierung der Spielverordnung verbotenen sog. Fun-Games ist bislang nicht erfolgt; immer noch befänden sich solche Geräte in rund 25% der aufgesuchten Spielhallen. Zudem würden sie vermehrt in anderen Einrichtungen wie Kulturvereinen, Internetcafés oder privaten Wettannahmestellen aufgestellt. Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Spielverordnung gebe es vor allem dann, wenn die örtlichen Ordnungsämter nicht über ausreichendes Personal verfügten oder dieses fachlich nicht geschult sei, um Verstöße zu erkennen. Fachgespräch "Nur ein Spiel?" Suchtpolitischer Handlungsbedarf bei Geldspielgeräten.

Im Anschluss daran erläuterte Dirk Lamprecht, Geschäftsführer der Automaten-Wirtschaftsverbände-Info GmbH, den suchtpolitischen Handlungsbedarf aus Sicht der Automatenverbände. Er gab an, dass auch nach der novellierten Spielverordnung unangemessen hohe Gewinne an Geldspielgeräten nicht möglich seien und im Hinblick auf die Einkommensentwicklung das Spielen sogar preiswerter geworden sei. Er bestätigte die Defizite im Bereich des Jugendschutzes, beispielsweise durch Aufenthalt von Jugendlichen in Spielhallen, erklärte aber, dass es sich dabei um Einzelfälle handele. Die Automatenbranche habe sich im Wege der Selbstverpflichtung für Werbebeschränkungen, das Anbringen von Warnhinweisen und das Auslegen von Info-Materialien zu Suchtgefahren eingesetzt und unterstütze die Spielsuchtforschung. Eine rechtliche Gleichstellung mit anderen Glücksspielformen oder die Übertragung der dafür geltenden Vorschriften auf Geldspielgeräte lehnte er ab und verwies auf die 2010 anstehende Evaluierung der Spielverordnung durch die Bundesregierung.

Zum Abschluss der Veranstaltung erörterte Prof. Dr. Michael Adams vom Institut Recht der Wirtschaft der Universität Hamburg die Frage, ob das Automatenspiel rechtlich mit anderen Glücksspielen gleichgestellt werden soll. Er bejahte diese Frage, da die rechtliche Privilegierung von Geldspielautomaten juristisch nicht haltbar sei. Das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof gingen in ihren bisherigen Urteilen zu Glücksspielmonopolen davon aus, dass diese nur dann gerechtfertigt seien, wenn die nationalen Regelungen zum Glücksspiel kohärent und systematisch an der Bekämpfung der Spielsucht ausgerichtet seien. Dies sei seiner Ansicht nach allerdings nur dann der Fall, wenn die suchtrelevanteste Spielform, nämlich das Automatenspiel, in diese Regelungen mit einbezogen werde. Da der Bund nach der bisherigen Rechtslage weiterhin als Gesetzgeber für Automatenspiele zuständig sei, sei es an ihm, diese Kohärenz herbeizuführen. Fachgespräch "Nur ein Spiel?" Suchtpolitischer Handlungsbedarf bei Geldspielgeräten.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Harald Terpe MdB, dem drogen- und suchtpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.