Heroinbehandlung

Nach mehrmonatigen parlamentarischen Beratungen hat der Bundestag am 28. Mai 2009 mit 345 von 550 abgegebenen Stimmen die gesetzliche Regelung der Diamprohinbehandlung beschlossen. 198 Abgeordnete aus der Unionsfraktion stimmten dagegen.

Vorgeschichte

Die Entscheidung für eine Heroin-Arzneimittelstudie war Teil des 1998 zwischen SPD und Grünen abgeschlossenen Koalitionsvertrags. Für ihre Teilnahme an dem Vorhaben haben sich die beteiligten Bundesländer und Städte selbst entschieden.

Die Ausschreibung des Bundesministeriums für Gesundheit vom September 1999 forderte ein Studiendesign "für eine multizentrische, klinische Studie zur ambulanten heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger".

Dieses wissenschaftliche Modellprojekt sollte die "klinische Prüfung heroinhaltiger Arzneimittel beinhalten (Zulassungsstudie) sowie einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu den Fragen erbringen, ob, wie und in welchem Umfang Opiatabhängige, die durch die bisherigen Angebote der Drogenhilfe nur unzureichend oder gar nicht erfolgversprechend therapierbar waren, durch eine heroingestützte Behandlung gesundheitlich und sozial stabilisiert, verbindlich ins Hilfesystem integriert, im Hilfesystem gehalten und zur Aufnahme einer weiterführenden Therapie motiviert werden können. Mit der Studie soll auch untersucht werden, ob und wie die heroingestützte Behandlung in das Therapieangebot zur Versorgung Opiatabhängiger implementiert und das sicherheitsrelevante Risiko begrenzt werden kann.?

Wesentliche Ergebnisse der Heroinstudie

Im Januar 2006 hat das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung an der Uni Hamburg den Abschlussbericht des dreijährigen Heroinprojektes vorgelegt. Die Heroin­behandlung führt zu einer deutlichen sozialen und gesundheitlichen Stabilisierung der Schwerstabhängigen und ist bei Schwerstabhängigen der Methadonbehandlung überlegen. Bei 80 Prozent der mit Heroin behandelten Patientinnen und Patienten (74 bei Methadon) ergab sich eine Verbesserung der gesundheitlichen Situation. Bei 69,1 Prozent der mit Heroin behandelten Patientinnen und Patienten konnte eine Verringerung des Konsums illegaler Drogen beobachtet werden (Methadon: 55,2 Prozent). Bei 57,3 Prozent der 515 mit Heroin behandelten Patientinnen und Patienten (Methadon 44,8 Prozent) konnten positive Wirkungen bei beiden der oben genannten Kriterien festgestellt werden.

Erwähnenswert ist auch, dass die Haltequote der Heroinbehandlung über der von Methadon liegt, d.h., die mit Methadon behandelten Patientinnen und Patienten haben die Studienbehandlung häufiger vorzeitig abgebrochen. Die Studie konnte keinen relevanten Einfluss der Art der psychosozialen Betreuung auf den Behandlungserfolg nachweisen.

Welche rechtlichen Änderungen sind notwendig?

Damit Heroin unbefristet in einer geregelten Behandlung an Schwerstabhängige als Medikament verschrieben werden kann, müssen zumindest Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) und der Betäubungsmittel­verschreibungsverordnung (BtMVV) vorgenommen werden. Zusätzlich muss Diamorphin/ Heroin nach § 21 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) als Arzneimittel zugelassen werden. Genehmigungsbedürftig sind außerdem die Herstellung des Arzneimittels auf Basis von Heroin/Diamorphin sowie die Einfuhr des dem Heroin/Diamorphin zugrunde liegenden Stoffes. Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Krankenhäusern muss über die Übernahme der Kosten für die Verschreibung von Heroin durch die Krankenkassen (auf Rezept) entscheiden.

Heroin kann schon heute im Einzelfall an Schwerstabhängige abgegeben werden. Dazu muss jedoch eine entsprechende Ausnahmegenehmigung nach §3 des BtMG beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte beantragt werden. Dieses entscheidet dann, ob die Genehmigung im öffentlichen Interesse ist. Eine dauerhafte und damit sowohl für die Kommunen als auch die betroffenen Opiatabhängigen verlässliche Grundlage ist dies nicht. Zumal die Kosten der Behandlung so allein von den Kommunen zu tragen sind. Einige Kommunen wie Karlsruhe hatten in der Vergangenheit erhebliche Schwierigkeiten, den finanziellen Aufwand zu schultern.

Kosten der Behandlung

Aus ethischen Gründen sollte sich eigentlich eine Diskussion über die Kosten dieser Behandlung verbieten. Dennoch hier ein paar Argumente:

Die Kosten für die Heroinbehandlung sind etwa drei- bis viermal so hoch wie die für die Methadonsubstitution. Pro Jahr kostet die Behandlung etwa 10.000 EURO pro Patienten. Die Substanzkosten für Heroin liegen zwar nicht über denen des Methadons. Höhere Ausgaben ergeben sich allerdings durch die höhere Tagesdosis. Hinzu kommt, dass die Abhängigen das Heroin unter Aufsicht konsumieren, es ist also ein größerer Personalaufwand am Wochenende und durch Schichtbetrieb notwendig.

Durch die Verbesserung der gesundheitlichen Situation der Patientinnen und Patienten sinken indes die krankheitsbedingten Kosten. Auch die gesellschaftlichen Kosten etwa für die Strafverfolgung und staatliche Hilfen verringern sich. Wie auch eine niederländische Studie ergeben hat, ist daher die Behandlung mit Diamorphin bzw. Heroin insgesamt günstiger als die Methadonsubstitution.

Parlamentarischer Beratungsstand

Die Union hat die Heroinbehandlung von Anfang an abgelehnt. Nach ihrer Auffassung seien die Ergebnisse der Heroinstudie nicht eindeutig genug.

Sowohl die GRÜNE Fraktion, die FDP- und die Linksfraktion setzten sich in Anträgen für die Diamorphinbehandlung ein. Auch der Bundesrat sowie Abgeordnete aller Oppositionsfraktionen legten einen Gesetzentwurf vor.

SPD und Union hatten sich lange Zeit in einen koalitionsinternen Streit verbissen, und es sah so aus, als könnte die Heroin- bzw. Diamorphinbehandlung nicht in die Regelversorgung überführt werden. Erst Anfang 2009 entschlossen sich Abgeordnete der SPD zu einem fraktionsübergeifenden Gesetzentwurf, den Abgeordnete aller Fraktionen des Deutschen Bundestages mit Ausnahme der Union unterzeichneten. Nach mehrmonatigen parlamentarischen Beratungen hat der Bundestag am 28. Mai 2009 mit 345 von 550 abgegebenen Stimmen die gesetzliche Regelung der Diamprohinbehandlung beschlossen. 198 Abgeordnete aus der Unionsfraktion stimmten dagegen.

Anträge und Dokumente