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Es geht hier und heute nicht nur ganz allgemein um die Entkriminalisierung von Cannabis. Es geht auch darum, ob vor allem Union und SPD endlich bereit sind, die Realitäten wahrzunehmen. Cannabis ist keine Modedroge. Cannabis ist längst eine Alltagsdroge wie Alkohol oder Tabak. Es eignet sich nicht, um daran einen ewig währenden Kulturkampf zu zelebrieren.
Cannabis ist Ausdruck für eine verfehlte Drogenpolitik, die noch immer vorrangig auf Repression setzt und bei der die Prävention nicht Hauptsache, sondern nur Beiwerk ist.
Cannabis ist zu einem Symbol geworden für eine Drogenpolitik, die an einer Ideologie, aber nicht an der Lebensrealität der Menschen orientiert ist. Es ist an der Zeit, die Glaubwürdigkeit und vor allem die Wirksamkeit dieser Drogenpolitik und ihrer Instrumente kritisch zu hinterfragen.
Die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens gilt in der Rechtsordnung immer als ultima ratio: Ein bestimmtes Verhalten wird von der Gesellschaft als so sozialschädlich angesehen, dass es nicht nur verboten ist, sondern dass auch jeder Verstoß durch eine individuelle Bestrafung des Handelnden geahndet werden muss. In vielen Fällen macht dies Sinn – aber auch beim Eigengebrauch von Cannabis?
Der Schutz der Gesellschaft, insbesondere der Rechtsgüter Dritter, kann ein solches Verbot nicht rechtfertigen. Der Eigengebrauch an sich schädigt keine Dritten. Auch die allgemeine Sicherheit wird dadurch nicht gefährdet. Im Gegenteil könnte insbesondere die Legalisierung des Eigenanbaus dazu beitragen, den Schwarzmarkt auszutrocknen. Man kann das sehr anschaulich an den Erfahrungen der USA nach Aufhebung der Prohibition beobachten. Zudem wissen wir aus der Suchtforschung, dass der Umstieg von Cannabis auf härtere Drogen nicht durch den Stoff selbst bedingt ist, sondern durch den Kontakt mit der Drogenszene auf dem Schwarzmarkt. Auch Gesundheitsgefahren durch mit Blei oder Glas verunreinigtem Cannabis – wie es vermehrt auch in Deutschland auftaucht - könnte so wirksam begegnet werden. Gesamtgesellschaftlich betrachtet wäre eine Legalisierung des Eigenanbaus also eher dazu geeignet wäre, Rechtgüter zu schützen als diese zu gefährden.
Keine Droge ist harmlos. Auch Cannabis kann bei intensivem Gebrauch zu einer psychischen Abhängigkeit führen. Bei bestimmten Konsumentinnen und Konsumenten besteht auch die Gefahr der Auslösung von Psychosen. Zudem führt das Cannabisrauchen zu ähnlichen gesundheitlichen Schädigungen wie der Tabakkonsum.
Cannabis sollte allerdings auch nicht einfach mit anderen illegalen Drogen auf eine Stufe gestellt werden. Das Suchtpotential von Cannabis ist bedeutend geringer als früher angenommen – und beispielsweise nur halb so hoch wie das von Alkohol. Menschen mit Alkoholproblemen landen 13mal so häufig in stationärer Therapie wie Cannabiskonsumenten. Weltweit starben 2007 rund 2,5 Mio. Menschen am Konsum von Alkohol. Und der in den letzten zehn Jahren angeblich dramatisch angestiegene THC-Gehalt von Cannabis ist ein Märchen. Er lässt sich weder mit den Zahlen des Bundeskriminalamtes noch der europäischen Union belegen.
Es gehört für mich auch zur Glaubwürdigkeit einer Drogen- und Suchtpolitik, dass man gesetzliche Regelungen an realen Gesundheitsgefahren orientiert.
Kann aber vielleicht die Strafbarkeit dazu beitragen, dem Täter sein gesundheitsschädliches Verhalten vor Augen und so eine Verhaltensänderung herbei zu führen? Eine Befragung des Münchner Instituts für Therapieforschung hat ergeben, dass nur rund 0,4 Prozent der ehemaligen Cannabis-Konsumenten ihren Konsum wegen eines Strafverfahrens aufgegeben hatten. Das ist für die Wirksamkeit einer Präventionsmaßnahme – ehrlich gesagt – ein vernichtendes Urteil. Der Staat könnte das Geld, das Polizei und Justiz in die Strafverfolgung investieren, woanders besser einsetzen.
Zum Beispiel in wirksame Prävention durch Aufklärung über Konsumrisiken oder Frühintervention bei Konsumenten mit riskantem Gebrauch. Eine solche Prävention ist aber nur bei einer Entkriminalisierung des Eigengebrauchs möglich – übrigens auch nach Einschätzung des Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen und der Drogen- und Suchtkommission des Bundesgesundheitsministeriums aus 2002. Der bloße Hinweis auf die Strafbarkeit mit der Forderung nach Abstinenz hat – wie die letzten Jahrzehnte zeigen - bislang kaum Wirkung gehabt. Im Gegenteil: Länder mit eine strengen Cannabisverbot haben viel größere Probleme mit anderen, halblegalen Drogen, auf die Jugendliche gegebenenfalls ausweichen, die aber mitunter viel größere Risiken für die Gesundheit bergen – ich erinnere nur an die jüngsten Erfahrungen mit Spice.
Die letzte verbleibende Rechtfertigung, die es also noch für ein Verbot geben könnte, wäre, dass dies andere Menschen davor abschreckt, selbst Cannabis zu konsumieren. Aber auch dies trifft nicht zu. Die Zahl der Konsumente liegt hierzulande seit Jahren konstant bei 2 – 4 Mio. Menschen. Umgerechnet auf die Gesamtbevölkerung ist das prozentual mindestens genauso viel wie in den Niederlanden. Und nur 2,8 % der ehemaligen Cannabiskonsumenten geben an, dass sie aus Angst vor Bestrafung ihren Konsum aufgegeben hätten.
Sie sehen also: alle Gründe, die ein Kriminalisierung des Eigengebrauchs von Cannabis rechtfertigen könnten, laufen ins Leere. Mitunter wirkt das Strafrecht sogar kontraproduktiv.
Wir fordern die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen deshalb auf: Stellen sie endlich eine glaubwürdige und wirksame Prävention in den Mittelpunkt ihrer Drogenpolitik.
Lösen sie sich von Ihren alten Klischeevorstellungen. Heben Sie die Strafbarkeit des Eigengebrauchs von Cannabis auf. Entwickeln Sie ein umfassendes nationales Aktionsprogramm zur Cannabisprävention, zur Verbesserung der Therapie und zur Schadensminderung. Und setzen Sie sich auch auf internationaler Ebene dafür ein, in diesem Bereich das Prohibitionsdogma durch eine rationale Gesundheitsprävention zu ersetzen. Ziel einer glaubwürdigen und wirksamen Prävention muss die Verhinderung des frühen Einstiegs in den Cannabiskonsum und die bessere und frühere Erreichbarkeit von Menschen mit riskanten Konsummustern sein, nicht ihre Kriminalisierung.