Rede zur abschließenden Lesung des Deutschen Bundestages zu "Cannabis als Medizin"

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Koalitionsfraktionen haben im Ausschuss gegen unseren Antrag und den nahezu gleichlautenden Antrag der Linken zur medizinischen Verwendung von Cannabis gestimmt. Es ist zu vermuten, dass sie auch hier im Plenum nicht von Ihrer Haltung abrücken werden.

Es bleibt indes auch weiter die Frage offen, wie Union und SPD ihre ablehnende Haltung begründen. Ich kann nämlich auch bei gutwilliger Betrachtung keine andere mögliche Erklärung für diese Haltung finden als die, dass sie ihre drogenpolitische Ideologie über die berechtigten Interessen der Patientinnen und Patienten stellen, denen Cannabis helfen könnte.

In der Anhörung im Ausschuss haben mit Ausnahme der Krankenkassen – wie leider schon häufiger bei diesen Fragen – alle Experten das Problem klar benannt: Die derzeitige Situation ist für viele Patientinnen und Patienten ungerecht und unzumutbar. Wer sich den Preis von 400 und mehr EURO pro Monat für Dronabinol nicht leisten kann, der wird auf einen komplizierten Antragsweg bei der Bundesopiumstelle verwiesen. Und wessen Antrag dort abgelehnt wurde oder wer diesen Weg zu Recht für unwürdig hält, der besorgt sich Cannabis auf dem Schwarzmarkt. Mit all den gesundheitlichen und strafrechtlichen Risiken, die damit verbunden sind.

Ich muss vermuten, dass sie an dieser Situation nichts ändern wollen. Stattdessen kommen sie immer wieder mit denselben Textbausteinen. Es gäbe keinen klaren Beleg für die Wirksamkeit von Cannabis bei Diagnosen wie zum Beispiel Schmerzen oder Spastik. Cannabisgebrauch  auch zu medizinischen Zwecken mache abhängig. Und so weiter. Die Experten haben Ihnen in der Anhörung klar gesagt, dass sie diese Einwände für abwegig halten.

Eigentlich will ich mich nicht im Detail mit ihren ideologischen und weltfremden Argumenten beschäftigen. Aber finden Sie es nicht unmenschlich, einer Patientin, die wegen einer unheilbaren Multiplen Sklerose unter starken Schmerzen leidet, ein wirksames Medikament zu verweigern, weil sie davon eventuell abhängig werden könnte?

Ist es nicht zynisch, einem Patienten mit Epilepsie zu sagen, dass das Medikament, das er selbst anbaut und das ihm seit Jahren dabei hilft, mit seiner Erkrankung zu leben, gar nicht wirksam sei?

Und ist es nicht ebenso unwürdig, einer Patientin mit Appetitlosigkeit infolge einer schweren Krebserkrankung das Medikament mit dem Argument zu verweigern, Cannabis sei keine Spaßdroge?

Wenn Sie schon diesen beiden Anträgen nicht zustimmen, dann gehen sie wenigstens kleine Schritte, um diesen Patientinnen und Patienten das Leben zu erleichtern. Sie könnten zum Beispiel das Antragsverfahren in der Bundesopiumstelle so ausgestalten, das sich der bürokratische Aufwand für Patienten und Ärzte in Grenzen hält. Sie könnten die Bundesopiumstelle personell so ausstatten, dass die Zeit bis zu einer Genehmigung des Antrags verkürzt wird.

Sie könnten aber auch die vielen guten wissenschaftlichen Belege der therapeutischen Wirksamkeit von Cannabis zum Anlass nehmen, die Rezepturvorschrift für einen Cannabisextrakt, der seit Jahren im Schreibtisch von Frau Caspers-Merk liegt, verschreibungsfähig zu machen. Das wäre ein wichtiger und sehr effizienter Schritt, um die menschenunwürdige Situation für viele Patientinnen und Patienten schnell und wirksam zu beenden.

Kommen sie endlich raus aus ihrem weltfremden, drogenpolitischen Elfenbeinturm und helfen sie den Patientinnen und Patienten.