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Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin Mortler, der Grund, warum die Patienten in Deutschland heute noch damit rechnen müssen, dass Cannabis als Medizin so schlecht verfügbar ist, ist das Verhalten der CDU/ CSU-Fraktion. Die Schuld liegt bei ihr, weil sie die Legalisierung von Cannabis seit Jahren und Jahrzehnten behindert hat, und zwar mit genau den gleichen Argumenten, die Kollege Spahn jetzt auch wieder bemüht, um unseren Entwurf eines Cannabiskontrollgesetzes in Misskredit zu bringen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Es verwundert mich gar nicht, wenn Sie immer nur diejenigen hören, die davor warnen, so ein Gesetz zu machen. Es hängt immer davon ab, welche Gesprächspartner man sich sucht. Man kann sich in unserer Gesellschaft auch Gesprächspartner suchen, die Ihnen genau sagen werden, dass die Politik, die Sie bisher verfolgt haben, in Deutschland gescheitert ist. Wenn Sie jetzt sagen: „Unsere Drogenpolitik basiert auf vier Säulen: Prävention, Schadensminderung, Behandlung, Repression“ – Sie kommen erst am Ende zur Repression –, dann muss ich Ihnen entgegnen: Es ist doch genau umgekehrt. Es werden 70 bis 80 Prozent der Mittel für Repression ausgegeben, und die restlichen Mittel werden für Prävention, Schadensminderung und Behandlung ausgegeben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wenn Sie an die Basis gehen, in Behandlungseinrichtungen, dann wird man Ihnen genau das sagen: dass die Ausstattung der Behandlungseinrichtungen und der Beratungseinrichtungen mit Mitteln bei uns viel zu kurz kommt. Deswegen ist dieser Ansatz in Deutschland natürlich gescheitert. Sie haben nicht ein Wort darüber verloren, dass unser Gesetz – ich möchte Sie auffordern, dazu noch einmal Stellung zu nehmen – einen starken Akzent auf Jugendschutz setzt. Sie haben richtigerweise argumentiert, dass Cannabis in der Entwicklung von Jugendlichen einen Schaden anrichten kann.
(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das ist keine Kurzintervention! Das ist ein Redebeitrag!)
Das haben wir bisher auch nie infrage gestellt. Vor allen Dingen wird es in unserem Gesetzentwurf überhaupt nicht infrage gestellt. Ganz im Gegenteil: Wir stärken den Jugendschutz, weil wir etwas dagegen tun, dass die potenziellen Konsumenten auf dem Schwarzmarkt einkaufen, wo alles Mögliche verkauft wird. Im Übrigen haben Sie auch nicht ein Wort darüber verloren, welche negativen Folgen sozusagen die Aufrechterhaltung des Schwarzmarkts in Deutschland für das gesamte Geschehen hat, was die Konsummittel betrifft. Ich möchte Sie zu noch etwas auffordern.
(Zuruf von der CDU/CSU: Wie lange soll das noch gehen?)
Es ist ja nett, dass Sie uns da offensichtlich eine Pflanze hingestellt haben.
(Zurufe) – Nüsse.
(Manfred Grund [CDU/CSU]: Die Pflanze war beim Kollegen Özdemir! – Matthias W. Birkwald
[DIE LINKE]: Nüsse! Oh Gott, ich bin Nussallergiker!) Es gibt auch andere Bilder von Ihnen. Sie haben auch die folgende Frage nicht beantwortet:
(Manfred Grund [CDU/CSU]: Herr Präsident, was will der denn eigentlich?)
Was tun Sie eigentlich dafür, dass die negativen Folgen des Alkoholismus in Deutschland angegangen werden?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Diese Vorwürfe gegenüber einem seriösen Gesetzentwurf kann ich so nicht stehen lassen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Vizepräsident Peter Hintze: Frau Mortler, mögen Sie darauf antworten?
Marlene Mortler (CDU/CSU): Ja. Vizepräsident
Peter Hintze: Bitte.
Marlene Mortler (CDU/CSU): Herr Präsident! Herr Kollege Terpe, man merkt, dass Ihnen das Herz voll ist; mir auch. Die symbolischen Nüsse, die ich hier überreicht habe, sind wirklich für die geistige Gesundheit, um das noch einmal klarzustellen.
(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unverschämtheit, ehrlich gesagt! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Mischung zwischen Kindergarten und Unverschämtheit!)
Statt Hanf.
(Mechthild Rawert [SPD]: Damit kämen Sie im Görlitzer Park allerdings nicht weiter! – Heiterkeit – Weitere Zurufe) – Ich habe Zeit.
(Tino Sorge [CDU/CSU]: Geben Sie Frau Rawert mal eine Nuss, bitte!) –
Ich habe Zeit, Herr Präsident. Ich würde gern einen Kommentar aus der SZ vom 5. März zitieren, der das ziemlich auf den Punkt bringt: Der Gesetzentwurf der Grünen versucht sich nun in einer Art Entspannungspolitik: Erwachsene sollen (natürlich gentechnikfreies) Cannabis in geringen Mengen und unter strengen Auflagen besitzen und konsumieren dürfen, der Schwarzmarkt soll verschwinden, die Staatskasse gefüllt, die Jugend geschützt werden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wenn das so funktionierte und nebenbei der Krieg zwischen den Anhängern der „Verbietet alles!“-Religion und den „Erlaubt alles!“-Gläubigen endete, dann wäre das schön.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn darüber in Vergessenheit geriete, dass Hasch gefährlich ist und bleibt, wäre das schlecht. Ein Cannabiskontrollgesetz kann regeln, was nicht abzuschaffen ist. Dass mit ihm die große Bürgerfreiheit verwirklicht werden soll, ist Mumpitz. Die Überschrift lautet „Im Rausch der Illusion“. – Dem ist nichts hinzuzufügen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dieter Janecek [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das spricht doch für den Gesetzentwurf!)
Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Frank Tempel, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN) Frank Tempel (DIE LINKE): Ich habe übrigens keine Angst vor Zwischenfragen. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Besitz und Erwerb von Cannabisprodukten sind in Deutschland strafbar. Auch der Anbau ist strafbar. Das ist die konkrete aktuelle Rechtslage in Deutschland.
(Dietrich Monstadt [CDU/CSU]: Richtig so!) Von straffreiem Konsum zu reden, ist reichlich inkompetent.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Als Kriminalbeamter in Thüringen habe ich im dienstlichen Auftrag Strafanzeigen schreiben müssen, weil Tüten mit Restanhaftungen von Cannabis den Anfangsverdacht begründeten, dass der Betroffene im Besitz von Cannabis war. Bereits das führte zur Strafanzeige. Wer diese Kriminalisierung von Menschen mit dem Argument abtut, dass diese Verfahren wieder eingestellt werden, den muss ich fragen: Wie rechtfertigt man, dass Hunderte von Polizeibeamten diese Anzeigen erst einmal schreiben müssen, dass Hunderte von Polizeibeamten unterwegs sind, um Kontrollen durchzuführen und Wohnungen zu durchsuchen, wenn die Verfahren von der Staatsanwaltschaft dann in der Regel wieder eingestellt werden? Welchen Sinn macht das?
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben von vier Säulen der Drogenpolitik gesprochen. 86 Prozent der Mittel entfallen allein auf die Säule der Repression. Wer das damit begründet, dass der Schutz von Kindern und Jugendlichen beabsichtigt ist, dem muss ich sagen: Der Schwarzmarkt ist so ziemlich der schlechteste Jugendschutz.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Strafbarkeit gilt aber auch für 40-, 50- und 60- Jährige. Sie gilt im Übrigen auch völlig unabhängig davon, ob der Cannabiskonsument tatsächlich einen gesundheitsgefährdenden Umgang damit pflegt oder ob er ein Gelegenheitskonsument ist, der die festgestellte Menge lediglich dazu hat, um eine Weile damit auszukommen. Auch er wird kriminalisiert. Hier wird ein Verhalten bestraft, das bei unsachgemäßem Umgang möglicherweise zu einer Selbstschädigung führt. Das ist einmalig im deutschen Strafrecht. Ja, der missbräuchliche Konsum – das wird nicht ignoriert; auch nicht im Antrag der Grünen – ist riskant, ist gefährlich, und das besonders, wenn im sehr frühen Alter damit begonnen wird. Deswegen muss man natürlich klare Jugendschutzregeln schaffen. Während wir aber hier darüber diskutieren, wie wir das machen können, schaffen wir es beim Alkohol noch nicht einmal, über konkrete Werbeverbote zu reden.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie, liebe Kollegen von der Union, lehnen die Legalisierung von Cannabis ab, damit nicht, wie man ja hört, neben Tabak und Alkohol eine weitere gefährliche Droge auf den Markt kommt. Ich weiß nicht, in welcher Welt Sie leben. Wir haben circa 2,5 bis 4 Millionen Cannabiskonsumenten in Deutschland. Diese Droge ist da, und der Versuch der Durchsetzung des Verbots kostet eben sehr viel Geld, das an anderen Stellen für Prävention fehlt.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Stattdessen haben wir einen Schwarzmarkt, Streckmittel und keinen Einfluss auf den Wirkstoffgehalt, keinen Jugendschutz. Deswegen muss es einfach legitim sein, Alternativen zu diskutieren. Die Linken haben in der letzten Legislatur den Vorschlag gemacht, eine nichtkommerzielle Lösung, angelehnt an die Cannabis Social Clubs in Spanien, anzubieten. Das heißt, sowohl legal als auch illegal kann niemand mit diesem Produkt Geld verdienen. Das wäre präventiv durchaus eine interessante Lösung. Die Grünen haben jetzt einen anderen Vorschlag eingebracht, der auch kommerzielle Lösungen beinhaltet, aber ebenfalls Lösungsansätze in den Bereichen Jugendschutz, Verbraucherschutz und Prävention bietet. Das ist vielfach ganz klar eine bessere Lösung als Schwarzmarkt, Streckmittel und Stigmatisierung von 4 Millionen Menschen in diesem Land.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir haben natürlich überlegt, ob auch wir schnell noch einen Antrag vorlegen. Nein, das machen wir ganz bewusst nicht. Wir reden heute über den Antrag der Grünen. Den werden Sie eventuell wieder ablehnen. Das wurde ja in Ihrer nicht sehr sachlichen Rede eben deutlich. Für diesen Fall verspreche ich Ihnen, dass wir hier wiederum einen Antrag vorlegen werden. Dieses Thema werden Sie aus dem Bundestag nicht mehr herausbekommen. Das ist übrigens ein Versprechen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In dieser Debatte zur Legalisierung müssen Sie einfach einmal Ihre zwei, drei Experten, die Ihnen noch geblieben sind, beiseitelassen und auf die wirklichen Experten hören. Ich rede da von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, einem relativ breiten Sammelbecken. Alle drei Polizeigewerkschaften haben sich mittlerweile zu dem Thema geäußert. Die Hälfte aller Strafrechtsprofessoren hat sich zu diesem Thema geäußert. Sie stellen sich hier allen Ernstes hin und behaupten, Sie finden keine Experten, die etwas anderes sagen. Das ist reichlich ignorant.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 122 Strafrechtsprofessoren!)
Liebe Kollegen von der Union und auch von der SPD, Sie haben noch eine zweite Chance: Es befindet sich nach wie vor im Beratungsprozess des Bundestages ein Antrag zur Evaluierung des Drogenstrafrechts. Sie haben da eine Chance. Stellen Sie die richtigen Fragen. Sie glauben, Nachfrage und Angebot durch ein Verbot zu reduzieren. Dann überprüfen Sie es. Es gibt viele Länder, die andere Wege gehen. Sie zweifeln die Zahlen an. Überprüfen Sie es. Wir sagen, dass die fehlende Kontrolle Produkte auf dem Schwarzmarkt noch gefährlicher werden lässt durch fehlende Wirkstoffgehaltangaben, durch Streckmittel; Sie ignorieren das. Dann überprüfen Sie es! Stellen Sie die richtigen Fragen. Dieser Antrag ist noch in der Pipeline und soll hier beraten werden. Alle Zahlen, Tendenzen und Fakten können auf den Prüfstand; aber die Diskussion zu verweigern, ist einfach unakzeptabel.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich möchte aber trotzdem ganz zum Schluss – die Zeit ist abgelaufen – anerkennen, dass es zumindest die Ansage gibt, im Bereich der medizinischen Verwendung etwas zu machen. Ich hoffe sehr, dass es nicht nur darum geht, den wenigen Erlaubnisinhabern jetzt Kosten zu erstatten, sondern dass es hier auch darum geht, zum Beispiel den Zugang zur Anwendung von Medizinalhanf zu erleichtern. Jeder Zehnte, der einen Antrag auf Erlaubnis zur Verwendung von Medizinalhanf stellt, stirbt, bevor sein Antrag überhaupt entschieden ist. Jeder Zehnte stirbt, bevor der Antrag – Frau Mortler, ich rede auch mit Ihnen – überhaupt bearbeitet ist. Das ist unterlassene Hilfeleistung durch die Bundesregierung. Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie können Sich die Rede auch hier vollständig anhören.
Eine Übersicht aller parlamentarischen Initiativen zur Drogenpolitik finden Sie hier.