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zu Protokoll gegeben
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Es ist wichtig, wenn der Gesellschaft von Zeit zu Zeit ein Spiegel vorgehalten wird. Das Thema Cannabis in der Medizin ist gute eine Gelegenheit, über den Stellenwert des Menschen in der Gesundheitspolitik und in der Medizin zu diskutieren.
Es gibt Menschen in unserer Gesellschaft, die Cannabis als Medizin gebrauchen, weil ihnen die herkömmlichen Medikamente nicht helfen können. Sie leiden unter schweren Schmerzen, epileptischen Anfällen oder Multipler Sklerose. Cannabis verschafft ihnen Linderung.
Mit Dronabinol existiert ein Arzneimittel, das zumindest bei einem Teil der Patientinnen und Patienten helfen kann. Das Problem: Eine Monatsdosis kostet zwischen 300 und 600 Euro. Die Kosten dafür werden durch die gesetzlichen Kassen in der Regel nicht übernommen, weil Dronabinol arzneimittelrechtlich nicht zugelassen ist. Daher ist dieses Medikament für die meisten Betroffenen unerschwinglich.
Seit 2001 blockiert das Bundesgesundheitsministerium mit Ministerin Schmidt und der Parlamentarischen Staatssekretärin Caspers-Merk eine am Menschen orientierte Lösung. Sie haben die noch unter Andrea Fischer und der Drogenbeauftragten Christa Nickels in Auftrag gegebene Rezepturvorschrift für einen Cannabisextrakt unter den Tisch fallen lassen. Sie sind dafür verantwortlich, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte seinerzeit alle Ausnahmegenehmigungen zur medizinischen Verwendung von Cannabis pauschal und ungeprüft abgelehnt hatte. Erst ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes im Mai 2005 hat zumindest diesem Treiben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte ein Ende gesetzt.
Das Bundesgesundheitsministerium und die drogenpolitischen Ideologen an der Hausspitze haben jedoch dafür gesorgt, dass der Versuch der Patienten, eine solche Ausnahmegenehmigung zu erlangen zu einem selten erfolgreichen bürokratischen Spießrutenlauf wird, bei dem betäubungsmittelrechtliche Fragen im Vordergrund stehen und nicht das Wohl der Patientin oder des Patienten. So hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Zeitlang versucht, die Antragstellerinnen und Antragsteller mit völlig überzogenen Auflagen für die Aufbewahrung von Cannabis abzuwimmeln. Patientinnen und Patienten, die Cannabis regelmäßig aus medizinischen Gründen gebrauchen, wird die Genehmigung mit der zynischen Begründung, sie seien cannabisabhängig, verwehrt.Die Patientinnen und Patienten, die einen Antrag stellen, müssen im übrigen umfangreiche Unterlagen beibringen, Nachweise, dass sie alle anderen Medikamente bereits erfolglos ausprobiert haben, Nutzen/Risiko-Abschätzungen und so weiter.
Für mich klingt das alles sehr nach ideologisch motivierter Willkür. Das politische Ziel jedenfalls ist offensichtlich: Die medizinische Verwendung von Cannabis soll um jeden Preis verhindert werden.
Fragen wir also vor diesem Hintergrund ganz konkret: Welche andere Möglichkeit als sich Cannabis auf dem Schwarzmarkt zu besorgen, haben zum Beispiel Schmerzpatienten, denen Cannabis hilft, nicht aber Dronabinol, dass zudem vielleicht für sie nicht erschwinglich ist? Antwort: Keine. Das Bundesgesundheitsministerium zwingt diese Menschen faktisch, sich Cannabis auf dem illegalen Markt zu besorgen, weil sie es auf anderem Wege nicht bekommen können. Die Folge ist, dass diese Menschen kriminalisiert und manchmal auch verhaftet werden und Schwierigkeiten am Arbeitsplatz bekommen.
Die Bundesregierung hat diesen Menschen bislang nichts anzubieten außer der gebetsmühlenartigen Leier, dass Cannabis abhängig mache und gefährlich sei und es noch keine ausreichenden Nachweise der Wirksamkeit gebe, zuletzt wiederholt von der Parlamentarischen Staatssekretärin Frau Caspers-Merk. Angesichts von individuellem Leid und umfangreichen Erfahrungen von Ärzten und Patienten über die Wirksamkeit klingt das seltsam herzlos.
Der derzeitige Umgang mit diesen Patientinnen und Patienten wirft auch grundsätzliche medizinethische Fragen auf:
Können wir diesen Menschen ein Medikament verweigern, nur weil die Gefahr besteht, dass es sie vielleicht abhängig macht? Bei Morphin oder anderen etablierten schmerzlindernden Präparaten spielt dieser Einwand offensichtlich keine Rolle.
Haben wir das Recht, von diesen Patientinnen und Patienten zu verlangen, dass sie zunächst alle anderen in Frage kommenden Medikamente ausprobieren, um am Ende festzustellen, dass nur Cannabis ihnen helfen kann? Ich halte es medizinethisch jedenfalls nicht für vertretbar, wenn an diesen Menschen aus ideologischen Gründen herumgedoktert wird.
Die Position, die medizinische Verwendung von Cannabis zu ermöglichen, ist übrigens beileibe keine Außenseitermeinung spinnerter Grüner oder Linker. Einer Befragung des Allensbacher Instituts für Demoskopie zufolge sprechen sich nämlich 77 Prozent der Deutschen dafür aus, die Behandlung von Schwerkranken mit natürlichen Cannabisprodukten zuzulassen.
Wir haben in unserem eigenen Antrag einen praktikablen Vorschlag für eine am Menschen orientierte Lösung gemacht. Die Linken haben diesen Vorschlag dankenswerter Weise durch ihren Antrag unterstützt.
Wir wollen mit diesem Vorschlag erreichen, dass für die Patientinnen und Patienten eine legale Möglichkeit geschaffen wird, Cannabis zu therapeutischen Zwecken zu nutzen. Wer Cannabis aus medizinischen Gründen benötigt, soll es ohne Angst vor Strafverfolgung besitzen und anbauen dürfen. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen einer ärztlichen Empfehlung anhand einer klaren Indikationsliste.
Es gibt eine Vielzahl medizinischer Studien und Fallstudien, die belegen, dass Cannabis und Dronabinol zum Beispiel bei Parkinson, starken Schmerzen, Tourette-Syndrom, spastischen Anfällen und Alzheimer helfen können. Im Oktober wird sich der Gesundheitsausschuss in einer Anhörung dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und dem Antrag der Linken widmen. Ich hoffe sehr, dass es dann endlich eine praktikable und humane Lösung geben wird, die zeigt, dass der Mensch das Maß der Dinge in der Gesundheitspolitik ist.
Eine Übersicht aller parlamentarischen Initiativen zur Drogenpolitik finden Sie hier.