Synthetische Drogen

Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Es tut mir leid, dies gleich zu Beginn meiner Rede sagen zu müssen: Der uns von der SPD-Fraktion vorgelegte Antrag ist von einer bemerkenswerten drogenpolitischen Unkenntnis geprägt. Dazu gehört zum einen die Vermischung des Problems der sogenannten Legal Highs mit dem Thema Methamphetamin, bei dem es sich gar nicht um eine neuartige psychoaktive Substanz handelt, sondern um ein klassisches Betäubungsmittel, das schon in den 1930er-Jahren als Arzneimittel auf den Markt kam und schon lange dem Betäubungsmittelrecht unterliegt.

Auch die Aussage, neue psychoaktive Substanzen hätten ein erhebliches Abhängigkeitspotenzial und würden zu einer immer größeren Zahl an Süchtigen führen, ist in dieser Pauschalität wissenschaftlich überhaupt nicht belegt. Wie die Bundesregierung in ihrem aktuellen Entwurf zur Betäubungsmittel-Änderungsverordnung wieder zugeben musste, existierten kaum wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wirkweise und insbesondere zum Gefahrenpotenzial vieler Substanzen. Vielmehr wird häufig allein aufgrund der chemischen Nähe zu anderen Stoffen auf eine psychoaktive Wirkung geschlossen, ohne dass diese nachgewiesen ist oder das gesundheitliche Risiko konkret belegt wurde. Manchmal wird die Unterstellung unter das Betäubungsmittelgesetz allein damit begründet, dass die Substanzen in „einschlägigen“ Internetforen angeboten werde.

Aber zurück zum Antrag der SPD. Enttäuschend ist auch, dass sich dieser überhaupt nicht mit den Gründen auseinandersetzt, weshalb diese sogenannten Legal Highs auf dem Markt aufgetaucht sind und konsumiert werden. Dies sind nämlich in erster Linie der illegale Status von Cannabis und die Kriminalisierung von Cannabiskonsumenten. In mehreren Befragungen gab die Mehrheit der Konsumenten von Legal Highs an, auf diese Substanzen zurückzugreifen, weil sie, anders als Cannabis, legal seien. Auch andere Gründe stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Prohibition von Cannabis: Das sind beispielsweise die Nichtnachweisbarkeit von Legal Highs in Drogentests, die Angst vor Verlust des Führerscheins oder das Zurückschrecken vor der Beschaffung von Cannabis in der Drogenszene. Insbesondere für regelmäßige Konsumenten war das Argument der Legalität sehr wichtig, gerade auch in Regionen wie Bayern, in denen ein hoher Verfolgungsdruck auf Cannabiskonsumenten herrscht.

In einer aktuellen Studie des King College London geben über 90 Prozent der Legal-Highs-Konsumenten an, dass sie eigentlich natürliches Cannabis bevorzugen, beispielweise wegen geringerer Nebenwirkungen. Dies zeigt eindeutig, dass es sich bei dem Konsum von Legal Highs größtenteils um ein Ausweichverhalten handelt, das unmittelbar durch die Kriminalisierung von Cannabiskonsumenten hervorgerufen wird. Nachhaltig wird man das Problem der Legal Highs unter anderem also nur durch eine legale Abgabe von Cannabis lösen können.

Solch eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Problematik sucht man in dem vorliegenden Antrag allerdings vergeblich. Er bleibt auch in seinen Forderungen sehr unkonkret und geht kaum über die „Allgemeinplätze“ hinaus, die er seinerseits der Bundesregierung vorwirft. Mit welchen Instrumenten die geforderte Drogenbekämpfung durchgeführt werden soll, bleibt weitgehend unklar. Die geforderte Unterstützung eines EU-Regelungsvorschlags zu Legal Highs ist fragwürdig, da noch völlig unklar ist, wie dieser Vorschlag aussehen wird. Auch die Forderungen im Bereich der Prävention bleiben sehr unkonkret. Die Säule der Schadensminderung wird zudem überhaupt nicht erwähnt.

Klar wird allerdings, dass die SPD einen eindeutig repressiven Ansatz verfolgt, der in erster Linie auf die Intensivierung der Strafverfolgung setzt. Man hat fast das Gefühl, die SPD möchte die schwarz-gelbe Regierung da noch überholen. Das ist allein schon wegen des offensichtlichen Scheiterns dieses Ansatzes abzulehnen. Er hat weder zu einer Reduzierung des Angebots noch zu einer Verringerung der Nachfrage nach Drogen geführt. Stattdessen hat die prohibitive Drogenpolitik erhebliche Menschenrechtsverletzungen und immense gesundheitliche sowie gesellschaftliche Schäden zu verantworten.

Eine Wende in der Drogenpolitik und eine Entkriminalisierung der Drogenkonsumentinnen und -konsumenten sind daher auch in Deutschland längst überfällig. Die SPD hat sich diesem Gedanken in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode allerdings zumeist verschlossen. Der vorliegende Antrag ist ein erneuter Beleg dafür. Deshalb lehnt unsere Fraktion diesen Antrag ab.