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Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Gestern fand im Gesundheitsausschuss ein Expertengespräch zur Evaluierung der Spielverordnung statt. Gegenstand der Anhörung war unter anderem eine aktuelle Studie des Instituts für Therapieforschung München zu den Auswirkungen der Novelle im Jahr 2006. Die Ergebnisse dieser Studie sind erschreckend: Fast 40 Prozent der in Spielhallen befragten Spieler zeigten Symptome einer Abhängigkeit oder waren zumindest dabei, eine solche zu entwickeln. Rund 50 Prozent der befragten Spieler gaben selbst zu, ihr Spielen nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Mehr als die Hälfte der Spieler erklärten, dass sie sich wegen des Spielens finanziell einschränken oder sogar zusätzliches Geld beschaffen müssten.
Wir wissen seit langem, dass Geldspielgeräte in Spielhallen diejenige Glücksspielform sind, die die meisten Abhängigen hervorbringt. In einem aktuellen Modellprojekt der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen hatten rund 87 Prozent der Spieler, die in Beratungsstellen kamen, ein Problem mit diesen Automaten. Wir sind uns einig, dass ein generelles Verbot des Glücksspiels oder solcher Spielhallen der falsche Weg wäre. Es geht uns um die Reduzierung des Angebots, denn aus der Suchtforschung ist bekannt, dass die Verfügbarkeit einer Droge oder eines Suchtmittels einen wesentlichen Einfluss auf die Zahl der Abhängigen hat. Auch bei Geldspielgeräten wird diese wissenschaftliche Erkenntnis durch Erfahrungen aus der Praxis bestätigt. Genauso wie die Zahl der Spielhallen und Spielgeräte in den letzten Jahren erheblich angestiegen ist, genauso stieg auch die Zahl der therapiebedürftigen Spieler.
In der bereits erwähnten IFT-Studie geben über die Hälfte der befragten Spieler an, dass sie Spielhallen den staatlichen Spielbanken vorziehen, weil erstgenannte besser erreichbar seien. Auch diese Studie belegt also, dass die Verfügbarkeit ein wesentlicher Aspekt für die Entscheidung ist, an Automaten zu spielen. Viele von uns wissen aus der Wahlkreisarbeit: Deutschlandweit haben Kommunen seit einigen Jahren mit einer inflationären Vermehrung von Spielhallen zu kämpfen. Auch die Zahl der dort aufgestellten Geldspielgeräte hat um 50 Prozent zugenommen. Die Mittel, die die Kommunen dem entgegensetzen können, sind begrenzt. Spielhallen dürfen nach der Baunutzungsverordnung nur in bestimmten Wohngebieten untersagt werden. Die Bauleitplanung in vielen Kommunen hat dieses Problem leider nicht von Anfang an berücksichtigt. Nachträgliche Änderungen sind aufwendig und langwierig. So sind die Kommunen weiterhin verpflichtet, neue Spielhallen zu genehmigen, wenn die bau- und gewerberechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Zudem werden vermehrt sogenannte Mehrfachkonzessionen beantragt, mit denen große Spielhallenkomplexe betrieben werden können, die sich mit Gastronomieangeboten und anderem den Anschein einer harmlosen Familienunterhaltung geben.
Die Auswirkungen dieser Spielhallenflut sind nicht nur für die Spieler, sondern auch für die Kommunen ein erhebliches Problem. Neben einer steigenden Zahl Spielsüchtiger mit allen bekannten Begleiterscheinungen wie Verschuldung und Beschaffungskriminalität sehen wir vielerorts bereits heute negative Folgen für die Entwicklung bestimmter Stadtviertel. Spielhallen gehen oft mit dem sogenannten Trading-down-Effekt einher, das heißt, die Attraktivität einer Straße sinkt, Fachgeschäfte werden durch Ramschläden ersetzt, Mieter ziehen weg. Die gesamten volkswirtschaftlichen Kosten, die durch diese Begleitprobleme entstehen, dürften erheblich sein und den Nutzen weit übersteigen.
Wir haben diesen Antrag eingebracht, um die Bundesregierung in die Pflicht zu nehmen. Ihr steht mit der Baunutzungsverordnung ein Instrument zur Verfügung, mit dem sie den Kommunen helfen und die Versuchung für abhängige oder zumindest gefährdete Menschen abmildern kann. Wir fordern die Bundesregierung auf: Tun Sie etwas gegen dieses Problem! Geben Sie den Kommunen mehr Möglichkeiten, sich gegen diese Zunahme von Spielhallen zu wehren! Begrenzen Sie die Zulassung von Spielhallen auf Gewerbegebiete, sodass sie nicht mehr dort, wo die Menschen leben, direkt und rund um die Uhr verfügbar sind! Und setzen Sie sich bei den Ländern dafür ein, dass keine Mehrfachkonzessionen mehr erteilt und Spielhallen nicht dort zugelassen werden können, wo sich Kinder und Jugendliche aufhalten! Lassen Sie die Kommunen nicht im Stich!
Eine Übersicht aller parlamentarischen Initiativen zur Drogenpolitik finden Sie hier.