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Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,
Kriminalisierung von Konsumentinnen und Konsumenten, Verhinderung der letzten medizinischen Behandlungsmöglichkeiten für chronisch kranke Menschen: Cannabis und der Umgang damit ist das Symbol dafür, was grundsätzlich falsch läuft in der nationalen und internationalen Drogenpolitik:
Obwohl mittlerweile wissenschaftlich belegt ist, dass es für die Tatsache und die Höhe des Konsums von Cannabis keine Rolle spielt, ob diese Substanz verboten ist, hält die Bundesregierung nach wie vor daran fest.
Gleichfalls wissenschaftlich belegt ist, dass die gesundheitlichen Risiken des Cannabiskonsums unter denen von Alkohol oder Tabak liegen. Trotzdem hält die Bundesregierung an dem Verbot fest und verbreitet weiter die unhaltbare These, dass der Cannabiskonsum per se gefährlich sei.
Und obwohl inzwischen klar ist, dass es vor allem die Kriminalisierung der Konsumentinnen und Konsumenten ist, die durch den Schwarzmarkt zu erheblichen gesundheitlichen Risiken führt, hält die Bundesregierung an dem Verbot fest und nimmt damit erhebliche Gesundheitsschäden der vielfach jungen Menschen in Kauf.
Diese Erkenntnisse sind nicht neu. Schon 2004 hat die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen angemerkt, dass die strafrechtliche Verfolgung der Konsumentinnen und Konsumenten kontraproduktiv ist. Die Europäische Drogenbeobachtungsstelle hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass es keinen Zusammenhang zwischen gesetzlichen Regelungen und dem Konsum gibt. 2009 hat eine Studie im Auftrag der Bundesregierung ergeben, dass etwa zwei Drittel des finanziellen Engagements des Staates in Bezug auf Drogen in repressive Maßnahmen fließen. Zehn Prozent der gesamten öffentlichen Ausgaben für die öffentliche Sicherheit und Ordnung haben einen Bezug zu illegalen Drogen. Nur ein geringer Teil der Mittel fließt hingegen in Prävention, Therapie- und Hilfsangebote. Und schon vor fast zwanzig Jahren hat eine Studie im Auftrag des Bundeskriminalamtes die These von Cannabis als Einstiegsdroge verworfen.
Ich frage mich nun ernsthaft, warum wir uns eigentlich auf nationaler und europäischer Ebene all die Studien und Beratungsinstitutionen in der Drogenpolitik leisten, wenn deren Erkenntnisse insbesondere durch die Bundesregierung überhaupt nicht berücksichtigt werden. Oder um grundsätzlich zu fragen:
Warum verzichten wir in der Drogenpolitik auf Evidenz? Warum werden Forschungsergebnisse ignoriert und weiter Mythen verbreitet? Warum macht die Bundesregierung drogenpolitische Strategien und evaluiert nicht einmal, ob und wie ihre repressiven Maßnahmen in der Drogenpolitik wirken? Warum behaupten sie nach wie vor, Cannabis sei eine Einstiegsdroge oder habe eine Schrittmacherfunktion, obwohl seit zwanzig Jahren das Gegenteil belegt ist?
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Frau Dyckmans, behauptet, sie würde für eine moderne, am Menschen orientierten Drogenpolitik stehen. Am 26. März dieses Jahres hat sich nun diese Drogenbeauftragte zusammen mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes vor die Presse gestellt und gefordert, den Kampf gegen die Betäubungsmittelkriminalität weiterhin mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln - präventiv wie repressiv - entgegenzutreten. Und so frage ich die Bundesregierung weiter: Warum spielt es keine Rolle für sie, dass der von ihr propagierte „War on drugs“ viele Staaten an den Abgrund geführt und allein in Mexiko seit 2007 fast 50.000 Menschenleben gekostet hat?
1994 hat das Bundesverfassungsgericht in seinem damaligen Urteil darauf hingewiesen, dass auch bei Cannabiskonsumenten das verfassungsrechtliche Übermaßverbot zu gelten hat. „Die Verhängung von Kriminalstrafe gegen Probierer und Gelegenheitskonsumenten kleiner Mengen von Cannabiskonsumenten kann in ihren Auswirkungen auf den einzelnen Täter zu unangemessenen und spezialpräventiv eher nachteiligen Ergebnissen führen, wie etwa einer unerwünschten Abdrängung in die Drogenszene“, urteilte das Bundesverfassungsgericht seinerzeit.
Allerdings hat die herrschende Drogenpolitik hieraus kaum Schlüsse gezogen. Nach wie vor wird das Märchen erzählt, der Eigengebrauch von Cannabis sei entkriminalisiert. Die Bundesregierung behauptet in der gewohnten Spitzfindigkeit, ihr lägen keine Erkenntnisse vor über die Zahl konsumnaher Delikte.
Dann gebe ich Ihnen eine Hilfestellung. Schauen Sie einfach in die so genannten Lagebilder Rauschgiftkriminalität des Bundeskriminalamtes und dort unter Allgemeine Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Da werden Sie entsprechende Zahlen finden: Gegen fast 100.000 Menschen werden Jahr für Jahr Strafverfahren eröffnet, weil sie Cannabis zum Eigenverbauch besitzen oder anbauen.
Schauen Sie sich an, bei wie vielen Cannabiskonsumentinnen und –konsumenten Jahr für Jahr die Fahreignung überprüft wird oder die gar ihre Fahrerlaubnis verlieren, obwohl sie gar nicht unter Einfluss dieser Droge gefahren sind.
Diesen Menschen mag die Behauptung, der Eigengebrauch von Cannabis sei bei uns entkriminalisiert, wie Hohn in den Ohren klingen.
Wir erleben in Berlin gerade, wie in ohne Not eine Absenkung der so genannten geringen Menge für Cannabis erwogen wird. Dabei zeigen uns Studien, dass es keinerlei Rolle für den Cannabiskonsum spielt, ob die geringe Menge bei 15 Gramm oder 6 Gramm liegt. In Berlin wird eine rein ideologische Diskussion geführt, die niemandem nutzt, aber am Ende viel Schaden anrichtet.
Da sind unsere Kolleginnen und Kollegen von der SPD hier im Bundestag offensichtlich deutlich weiter. Deren drogenpolitische Sprecherin, Frau Graf, befürwortete immerhin kürzlich eine Entkriminalisierung von „Süchtigen“ und sprach sich für eine bundeseinheitliche geringe Menge aus.
Wir wollen vor diesem Hintergrund mit unserem Antrag nun einen neuen Anlauf nehmen, um eine Entkriminalisierung des Eigengebrauchs von Cannabis zu erreichen. Unser Vorschlag ist eine Regelung, durch welche die Strafbarkeit des Eigengebrauchs von Cannabis entfällt. Das ist zwar noch keine Legalisierung, wie wir sie uns vorstellen. Aber es ist ein erster Schritt, um die Konsumentinnen und Konsumenten endlich wirksam vor Kriminalisierung zu schütze