Rede: Glücksspielsucht

Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vor zwei Wochen berichtete das ARD-Magazin Monitor darüber, dass ein Vertrauter und Geschäftspartner der Firma Gauselmann, die hierzulande Geldspielgeräte herstellt, insgesamt 2,5 Millionen Euro in ein FDP-Tochterunternehmen investiert hat, wovon zumindest ein Teil des Geldes auch an die Partei geflossen sein soll. So kaufte das besagte Unternehmen der FDP beispielsweise ein Grundstück zu einem wohl überhöhten Preis ab. Die Bundestagsverwaltung prüft derzeit, ob es sich dabei um eine verdeckte Parteispende gehandelt hat. Derselbe Gauselmann-Berater ist übrigens auch Mitinhaber der Firma Pro Logo, die für die FDP in Sponsoringfragen tätig ist.

Vor dem Hintergrund dieser engen Verbindung ist es mittlerweile kein Wunder mehr, dass das FDP-geführte Bundeswirtschaftsministerium die Novellierung der Spielverordnung nur zögerlich angeht. Eine vom Ministerium selbst in Auftrag gegebene Studie hat zwar im Vorfeld noch einmal das erhebliche Suchtpotenzial von Spielautomaten und die Unwirksamkeit der bisherigen Präventionsbemühungen festgestellt, aber davon ließ sich Minister Rösler bislang nicht beeindrucken. Wir wissen jetzt vielleicht wieso.

Wie stark die Industrie Einfluss auf die derzeitigen Reformbemühungen nimmt, lässt sich an zwei Beispielen veranschaulichen: Die Automatenhersteller haben in den letzten Jahren durch die Umrechnung von Geldbeträgen in Punkte einen Weg gefunden, die geltenden Vorgaben der Spielverordnung zu umgehen. Anstatt diese Praxis zu untersagen, hat das Ministerium ihr zwischenzeitlich durch einen Erlass de facto seinen Segen gegeben. Nun wurde selbst im Zuge der vom Ministerium in Auftrag gegebenen Studie erklärt, dass dieses sogenannte Punktespiel ein maßgeblicher Faktor für die Entstehung von Spielsucht und für den Verlust erheblicher Geldsummen sei. Man könnte also meinen, dass dies der dringendste Punkt ist, bei dem die Bundesregierung Handlungsbedarf sieht – weit gefehlt. Rösler und sein Ministerium erklären ausdrücklich, das Punktespiel zulassen zu wollen, weil – und hier wird es jetzt zynisch – ein Verbot von der Branche umgangen werden würde.

Zweites Beispiel. Die Bundesregierung erklärte, der Entstehung von Sucht und der Umgehung des Jugendschutzes zukünftig dadurch begegnen zu wollen, indem sie eine Spielerkarte einführt – so weit, so gut. Nun gab es innerhalb der Bundesregierung – interessanterweise zwischen zwei FDP-geführten Ministerien – einen Streit darüber, wie diese Spielerkarte aussehen soll. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung schlug die Einführung einer personengebundenen Spielerkarte vor, weil nur diese aus suchtpolitischer Sicht Sinn macht. In diesem Punkt stimme ich ihr ausdrücklich zu. Die Automatenbranche erklärte allerdings, allenfalls mit einer nicht personengebundenen Karte leben zu können, etwas, dass aus der Sicht von Spielsuchtexperten völlig nutzlos ist und auch von den Ländern im Bundesrat abgelehnt wird. Nun dürfen Sie raten, welcher Position sich das Bundeswirtschaftsministerium angeschlossen hat. Die Einführung einer personengebundenen Karte soll nunmehr allenfalls mittelfristig erfolgen. Mit anderen Worten: nie.

Insofern begrüßen wir die Initiative der SPD, die auf Änderungen im Bereich der Spielautomaten drängt, zumal es seinerzeit das SPD-geführte Wirtschaftsministerium war, das die Spielverordnung auf Wunsch der Branche erheblich gelockert hatte und somit für die derzeitige Situation mitverantwortlich ist. Meine Fraktion hat in der Vergangenheit mehrfach Anläufe unternommen, die Prävention im Bereich Glücksspielsucht gerade im Hinblick auf das Automatenspiel zu verbessern, zuletzt mit einer Anhörung im Gesundheitsausschuss und mit einem Antrag, mit dem den Kommunen bessere Möglichkeiten an die Hand gegeben werden sollten, die Neuansiedlung von Spielhallen zu verhindern. Erfreulich ist, dass die SPD nun ebenfalls vorschlägt, dieser Spielhallenflut mittels einer Änderung der Baunutzungsverordnung Herr zu werden. Dem entsprechenden Antrag unserer Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wollten sie ja seinerzeit noch nicht zustimmen.

Auch andere Forderungen des SPD-Antrags können von uns unterstützt werden, insbesondere die strengeren Rahmenvorgaben für Geldspielgeräte. Dies setzt allerdings voraus, dass die Einhaltung der Vorgaben durch Sachverständige auch vor Ort kontrolliert werden kann. Gerade diese Kontrollen vor Ort will die Bundesregierung aber jetzt abschaffen. Eine sinnvolle Begründung hat sie bislang dafür nicht abgegeben. Das fiele auch schwer, waren es in den vergangenen Jahren gerade diese Sachverständigen, die auf Manipulations- und Umgehungsmöglichkeiten hingewiesen hatten. Vielleicht ist gerade das aber auch der Grund für die Abschaffung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungsfraktionen, wirksamer Spielerschutz und eine effektive Suchtprävention sind kein Ausdruck von Wirtschaftsfeindlichkeit. Sie entspringen einer nüchternen Kosten-Nutzen-Bilanz. Die negativen Auswirkungen, die gesellschaftlichen Probleme und auch die sozialen Kosten, die die Spielautomatenindustrie hierzulande zu verantworten hat, überwiegen bei Weitem das, was diese Branche wirtschaftlich zur Entwicklung Deutschlands beiträgt. Anstatt den Wünschen gerade dieser Szene blind Folge zu leisten, sollten Sie sich die Mühe machen, sich mit den Folgen genauer zu beschäftigen. Wenn Sie dies wirklich einmal täten, würden auch Ihre Reformvorschläge anders aussehen.