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Erklärung nach § 31 GO
des Abgeordneten Dr. Harald Terpe (Bündnis 90 / Die Grünen) zur namentlichen Abstimmung über den eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verankerung der Patientenverfügung im Betreuungsrecht (Patientenverfügungsgesetz - PatVerfG) der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, René Röspel, Katrin Göring-Eckardt und anderer Abgeordneter und sowie zur Abstimmung über den Antrag „Gesetzliche Überregulierung der Patientenverfügung vermeiden“ der Abgeordneten Hubert Hüppe, Beatrix Philipp, Dr. Norbert Lammert und anderer Abgeordneter (Tagesordnungspunkt 6)
Ich werde heute sowohl dem von den Kolleginnen und Kollegen der Gruppe Göring-Eckardt, Bosbach, Röspel, Fricke und mir vorgelegten Gesetzentwurf wie auch dem vom Kollegen Hubert Hüppe vorgelegten Antrag zustimmen. Die einzige für mich tragbare Alternative zur Verabschiedung des genannten Gesetzentwurfes ist der Verzicht auf eine gesetzliche Regelung und damit die Beibehaltung der derzeitigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die anderen vorgelegten Gesetzentwürfe werden meiner Ansicht nach weder der Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts noch dem Schutz von Patientinnen und Patienten vor Übergriffen Dritter gerecht.
Der vom Kollegen Stünker und anderen vorgelegte Gesetzentwurf wurde immer wieder mit dem Argument beworben, durch ihn würde das Selbstbestimmungsrecht der Patienten gestärkt werden. Und zwar dadurch, dass er alle Patientenverfügungen – ungeachtet wie sie zustande gekommen sind – streng verbindlich machen würde. Ich halte es für falsch, diese Illusion zu nähren, und für eine Gefahr für den Schutz und die Würde des Einzelnen am Lebensende.
Die Debatte um die Verbindlichkeit von Patientenverfügung ist die Folge zunehmender Möglichkeiten der modernen Medizin, und sie ist das Ergebnis sich ändernder gesellschaftlicher Wertvorstellungen. Wir haben in diesem Zusammenhang den Versuch erlebt, den Begriff der Selbstbestimmung umzudeuten. An die Stelle des für sich selbst, aber auch für andere verantwortlichen Individuums tritt die Vorstellung eines vollständig autonomen Menschen. Die Sorge um und die Verantwortung für andere Menschen tritt in den Hintergrund und wird sogar als Bevormundung abqualifiziert.
Wir wissen aus der Praxis, dass viele Patientenverfügungen aus Angst vor einem künstlich verlängerten, qualvollen Leben bzw. Sterbeprozess einerseits und in Unkenntnis verantwortlich eingesetzter medizinischer Möglichkeiten andererseits entstehen. Unkenntnis und Angst sind schlechte Ratgeber, wenn es um Entscheidungen über das eigene Sterben geht. Dies gilt umso mehr, weil die Erfahrung lehrt, dass sich ein vorab geäußerter bzw. verfügter Wille nicht selten unter den Bedingungen eines konkreten Krankheits- und Leidenserlebnisses ändert. Deshalb ist eine einfühlsame, fachkompetente Beratung und Reflektion nicht nur notwendig, sondern für mich auch ein Beitrag zur Stärkung der Selbstbestimmung. Mir ist es unerklärlich, warum eine solche Beratung - anders als in anderen Fragen des Alltagslebens - gerade bei einer der schwierigsten und elementarsten Entscheidung, nämlich der Beendigung des eigenen Lebens, als Überbürokratisierung und Angriff auf die Selbstbestimmung abgetan wird.
Neben der Frage der Selbstbestimmung ist aber die Stärkung der Zuwendung und Fürsorge durch andere Menschen und damit insbesondere die Stärkung des Vorsorgebevollmächtigten, der durch den Betroffenen bestimmt wird, von besonderer Bedeutung.
Vor allem die sich im Gesetzentwurf der Kollegen Stünker und andere manifestierende Vorstellung der Selbstbestimmung atmet ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber diesem fürsorglichen und mitmenschlichen Handeln Anderer. Die Sorge um und die Verantwortung für andere Menschen tritt in den Hintergrund und wird sogar als Bevormundung abqualifiziert. Ich möchte weiterhin in einer Gesellschaft leben, in der diese Zuwendung als etwas Positives, als Selbstverständlichkeit gilt.