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Sind Männer anders krank? Warum gehen Männer und Frauen mit der eigenen Gesundheitsfürsorge unterschiedlich um? Um diese und andere Fragen zu klären, veranstaltete die grüne Bundestagsfraktion am 23. Mai 2008 das Fachgespräch "Not am Mann? Defizite und Chancen bei der Gesundheitsversorgung von Männern". Eingeladen dazu hatte der grüne Obmann im Gesundheitsausschuss Dr. Harald Terpe.
Begrüßt wurden die zahlreichen Gäste durch Volker Beck, dem Ersten parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion. Beck führte in das Thema einführte stellte die Referenten vor.
In einem ersten Vortrag erläuterte Prof. Dr. Toni Faltermaier, Leiter der Abteilung für Gesundheitspsychologie der Universität Flensburg, wie die Geschlechterrolle von Männern ihr Gesundheitsverhalten beeinflusst. Auch wenn man zwischen unterschiedlichen Gruppen von Männern differenzieren müsse, verhielten Männer sich allgemein riskanter, beispielsweise beim Konsum von Alkohol, Zigaretten oder anderen Drogen, im Straßenverkehr oder beim Sport. Die Arbeit spiele eine wichtige Rolle für ihre Lebensgestaltung und ihr Selbstwertgefühl. Die Beschäftigung mit Gesundheitsthemen passe hingegen nicht in dieses Rollenverständnis und werde zumeist von den jeweiligen Partnerinnen wahrgenommen. Die Bedeutung von persönlichen Beziehungen für die Gesundheit von Männern werde allgemein unterschätzt: Genauso wie sich eine stabile Partnerschaft positiv auswirke, könne ein fehlendes soziales Netz insbesondere in Lebenskrisen ein Risiko darstellen. forderte ein differenzierteres Männerbild und die stärkere Berücksichtigung von Männern in der Gesundheitsforschung und bei gesundheitspolitischen Themen. Die Ansprache für Gesundheitsthemen müsse in den Lebenswelten der Männer, insbesondere am Arbeitsplatz erfolgen, um wirksam zu sein.
Dr. Haydar Karatepe, niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin und Spezialist für Männerheilkunde, berichtete von seinen Erfahrungen aus der ärztlichen Praxis. Bei Männern überdurchschnittlich häufig auftretende Erkrankungen seien Herzerkrankungen, Lungen- und Magenkrebs, Leberzirrhose, Suchterkrankungen und Geschlechtskrankheiten, aber auch Verletzungen aufgrund von Unfällen und Gewalt. Auch Depressionen und Suizide seien bei Männern sehr verbreitet, äußerten sich aber durch andere Symptome als bei Frauen. Männer selbst schätzten ihren Gesundheitszustand allerdings im Vergleich zu Frauen positiver ein, betrieben zudem weniger Gesundheitspflege und gingen nur ungern und oft erst verspätet zum Arzt. Manche Vorsorgeuntersuchungen bei Männern seien zudem sowohl beim Patienten wie auch beim behandelnden Arzt mit Scham besetzt und würden daher im gegenseitigen Einvernehmen nicht durchgeführt. Karatepe forderte eine höhere Aufklärung und Motivierung von Männern, sich mit dem eigenen Körper zu beschäftigen, sowie die Schaffung eines Facharztes für Männerheilkunde, der sich nicht nur auf urologische oder andrologische Themenbereiche beschränkt.
Unterstützt wurden seine Beobachtungen von Dr. Wolfgang Harth, Androloge, Psychotherapeut und Leiter des Zentrums für Männergesundheit am Vivantes-Klinikum im Friedrichshain, der ebenfalls einen interdisziplinären Ansatz der Männerheilkunde befürwortet. Wie kommerzielle Anbieter dies bereits schon für den Bereich der Erektionsstörungen täten, müsse dabei auch ein Fokus auf den alternden Mann gelegt werden. Heute würden viele Vorsorgeangebote von Männern gar nicht, zu spät oder nur durch Druck der eigenen Partnerin wahrgenommen. Dieser Hemmung könne man durch die Einrichtung von Männersprechstunden begegnen.
Zuletzt machte Diplom-Psychologe Thomas Altgeld, Geschäftsführer der Landesvereinigung für Gesundheit Niedersachsen, Vorschläge, wie man Gesundheitsangebote "mann- gerecht" ausgestalten könnte. Er stellte fest, dass der kommerzielle Männergesundheitsmarkt zwar boome, aber auf wenige, vergleichsweise unwichtige Themenbereiche begrenzt sei. Viele Angebote hätten einen fragwürdigen Nutzen und würden die relevante Zielgruppen, insbesondere sozial benachteiligte Männer, nur schlecht erreichen. Zudem würden "neue" Männererkrankungen wie Hormon- oder Erektionsstörung oder Schönheitsoperationen überproportional betont, hingegen andere männertypische Erkrankungen mit psychosozialem Hintergrund wie Alkoholismus völlig ausgeklammert. Wenn psychische Auffälligkeiten thematisiert würden, zeige sich – wie beispielsweise bei ADHS – ein Trend zur Medikalisierung. Angesichts der Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der Gesundheitsbildungskurse an Volkshochschulen von Frauen wahrgenommen wird, forderte Altgeld eine bessere Ansprache von Männern durch Präventionsangebote, beispielsweise durch die Verbindung von Gesundheits- mit klassischen Männerthemen und eine Vermarktung von Gesundheitsangeboten, die sich die erfolgreichen Marketingstrategien von kommerziellen Angeboten zu Nutze macht.