Harald Terpe, Halbierung Umsatzsteuer für apothekenpflichtige Arzneimittel

Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir führen diese Diskussion vor dem Hinter­grund der durch die große Koalition organisierten neuer­lichen Defizite bei der Finanzierung des Gesundheits­wesens zulasten der Bürgerinnen und Bürger. Ich verweise auf die beabsichtigte Mehrwertsteuererhöhung und auf die dadurch forcierte Steigerung der Arzneimit­telausgaben. Sie sollten auf die Mehrwertsteuererhöhung verzichten, meine Damen und Herren von der großen Koalition.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Des Weiteren nenne ich die Beseitigung des Steuerzu­schusses für versicherungsfremde Leistungen in Höhe von 4,2 Milliarden Euro zulasten der GKV. Das ist ein deutlicher Rückschritt auf dem Weg zur Steuerfinanzie­rung, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Ihr großkoalitionäres Konklave zur Gesundheitsreform nur schwarzen Rauch produziert.

Vor diesem Hintergrund kommt der vorliegende An­trag der Linken scheinbar sympathisch daher. Er sugge­riert uns eine wirksame Lösung. Aber wie so oft liegt der Teufel im Detail und damit bei Ihnen, meine Damen und Herren von der Linksfraktion.

Lassen Sie mich das kurz begründen:

Erstens. Eine gravierende Umsatzsteuersenkung in ei­nem Land wie Deutschland mit freier Preisbildung schafft Spielräume für Preiserhöhungen bei Arzneimit­teln durch die Pharmaindustrie, wovor auch das AVWG allenfalls zwei Jahre lang teilweise schützt, insbesondere deshalb, weil Sie es auf apothekenpflichtige Arzneimit­tel ausgedehnt haben. Deswegen wundert es mich per­sönlich gar nicht, dass ich vonseiten der Pharmaindustrie und der Apothekerverbände Ihrem Antrag gegenüber in den vergangenen Tagen nur Wohlwollen vernommen habe.

(Dr. Volker Wissing [FDP]: Was soll das denn heißen? Mögen Sie die etwa nicht?)

Das Phänomen der Preissteigerungen lässt sich in den in der Begründung Ihres Antrags genannten Ländern ? Ländern mit niedrigen Umsatzsteuern ? nachweisen. In Großbritannien zum Beispiel ist zu beobachten, dass die Einkaufspreise von Arzneimitteln wesentlich höher sind als in Deutschland, dass also der Gewinn der Phar­mafirmen wesentlich größer ist als hierzulande.

Zweitens. Vielleicht unbedacht, vielleicht aber auch, um zu verschleiern, dass Ihr Antrag krankenkassenzen­triert ist ? wenn man berücksichtigt, wer diesen Antrag eingebracht hat, wäre auch das nicht verwunderlich ?, behaupten Sie, die erhofften Einsparungen in voller Höhe an die Kranken weiterzugeben. Dabei übersehen Sie aber zweierlei: zum einen, dass von dem Einsparbe­trag, den Sie genannt haben, gerade die Bezieher höherer Einkommen profitieren, zum anderen, dass die durch die Einsparbeträge reduzierten Einnahmen der Krankenkas­sen von allen aufgebracht werden müssen, egal ob arm oder nicht arm.

Drittens. Ihr Antrag würde zu Steuerausfällen in Mil­liardenhöhe führen, ohne dass Sie einen konkreten Vor­schlag zur Gegenfinanzierung unterbreiten.

Nun nehme ich noch den Gedanken meiner Vorredne­rin von der SPD auf: Es ist eher zu fragen, ob man Steu­ersenkungstatbestände abschafft. Das habe ich jetzt al­lerdings nicht einfach nachgeplappert. Die Fraktion der Grünen im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat da­rüber bereits Ende letzten Jahres diskutiert und einen entsprechenden Antrag erarbeitet. Es ist also an der Ta­gesordnung, darüber nachzudenken, ob reduzierte Steu­ersätze beispielsweise für Schnittblumen und Hunde- und Katzenfutter sinnvoll sind.

(Dr. Volker Wissing [FDP]: Sie sind also auch für Steuererhöhungen! Aha!)

Außerdem sei dahingestellt, ob das Ihre Genossen in den ostdeutschen Ländern, in denen Sie parlamentarisch ver­treten sind oder mit regieren, erfreuen würde.

Alles in allem bedeutet der Antrag der Linksfraktion eine potenzielle Umverteilung von Steuergeldern zu­gunsten der Pharmaindustrie und gut Verdienender; we­gen dieser Ungerechtigkeit kann er von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen nur abgelehnt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)