BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Mecklenburg-Vorpommern

30.03.2007: Rede zum Antrag der Grünen "Bioethische Grundsätze auch bei Arzneimitteln für neuartige Therapien sicherstellen"

[Rede wurde zu Protokoll gegeben]

Im Europaparlament (EP) wird im April 2007 über eine Verordnung entschieden, mit der die Zulassung von neuartigen Gen-, Zell und Gewebetherapeutika europaweit einheitlich geregelt werden soll. Die Verordnung wird – wenn sie eines Tages in Kraft tritt – auch in Deutschland direkt und unmittelbar gelten.

Ein hoher Sicherheitsstandard gerade bei neuartigen Therapien, bei denen bislang zwangsläufig noch nicht so viel Erfahrungen gesammelt werden konnten wie bei „klassischen“ Arzneimitteln, ist durchaus zu begrüßen. Der Verordnungsentwurf hat allerdings ein Problem: er unterscheidet nicht nach Art der Therapie. Er erfasst damit auch solche aus embryonalen Stammzellen, aus Mensch-Tier-Hybriden und solche, die auf Eingriffen in die menschliche Keimbahn beruhen. Wir halten diese Therapeutika für ethisch nicht zu rechtfertigen und lehnen es ab, dass sie via Verordnung in Deutschland zugelassen sind und gehandelt oder angewendet werden dürfen.

Die Bundesregierung hat hier anscheinend weniger Bedenken. In ihrem Bericht vom 27. Februar diesen Jahres erklärt sie: „Alle Arzneimittel für neuartige Therapien sollen zunächst einmal den hohen Sicherheitsstandards, die mit der Verordnung festgelegt werden, entsprechen und das aufwendige zentrale Zulassungsverfahren durchlaufen. Die Mitgliedsstaaten selbst sollten dann auf der Basis eines nationalen ethischen Konsenses in der Lage sein zu entscheiden, welche Produkte in ihrem nationalen Bereich angewendet werden.“ So schön wie das klingt – das wird nur leider rechtlich nicht möglich sein, solange die Verordnung in der bestehenden Fassung verabschiedet wird.

Verordnungen sollen die rechtlichen Regelungen im Binnenmarkt vereinheitlichen und lassen es aus diesem Grund nur sehr begrenzt zu, dass Mitgliedsstaaten konkurrierende eigene nationalen Gesetze beibehalten. Vor diesem Hintergrund ist bekanntermaßen äußerst umstritten, ob Art. 28 des Verordnungsentwurfs, der die Möglichkeit einer nationalen gesetzlichen Ausnahmeregelung eröffnen soll, überhaupt rechtlich zulässig ist. Sollte dieser umstrittene Artikel nach Inkraftreten der Verordnung vom Europäischen Gerichtshof für unzulässig erklärt werden, wären damit auch die genannten ethisch umstrittenen, hinsichtlich der Stammzellen sogar gesetzlichen verbotenen Therapien in Deutschland zugelassen.

Die Bundesregierung hat vor diese Gefahr bisher unverständlicherweise die verharmlost und lediglich gebetsmühlenartig auf die Ausnahmeregelung im Entwurf verwiesen. Das ist verantwortungslos. Man kann von der Bundesregierung erwarten, dass sie sich dafür einsetzt, dass die ethischen Maßstäbe insbesondere des Stammzellgesetzes nicht unterlaufen werden. Und man kann von ihr erwarten, dass sie die Beachtung von ethischen Grundsätzen nicht – wie dies auch beim Entwurf zum Gewebegesetz zu beobachten war – mit einem pauschalen Verweis auf Sicherheitsstandards aushebelt.

Wir fordern die Bundesregierung auf: Nehmen Sie die Empfehlungen des Rechtsausschusses des Europaparlaments ernst. Setzen Sie sich bei den anstehenden Verhandlungen im Rat dafür ein, dass embryonale Stammzellen aus dem Geltungsbereich der Verordnung herausgenommen werden. Setzen Sie sich dafür ein, dass Produkte, die auf Mensch-Tier-Hybriden oder auf Eingriffen in die menschliche Keimbahn beruhen, von der Zulassung ausgeschlossen werden. Und setzen Sie sich ferner dafür ein, dass die freiwillige und unbezahlte Spende von Geweben und Zellen verbindlich festgeschrieben wird und ihre Beschaffung nicht gewinnorientiert erfolgt.

 

Mehr dazu:

Antrag: Bioethische Grundsätze auch bei Arzneimitteln für neuartige Therapien sicherstellen (als PDF)