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Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): -Eigentlich ist es erstaunlich, dass wir jetzt noch einmal die Möglichkeit haben, über das Thema Organspende zu debattieren. Mit den Verlautbarungen des Bundesministers für Gesundheit aus dem vergangenen Herbst wurde der Eindruck vermittelt, als seien mit der Reform des Transplantationsgesetzes vom Juni 2012 und mit dem Spitzengespräch vom 27. August infolge der Wartelistenmanipulationen eigentlich alle Probleme gelöst. Dass dies nicht der Fall war, haben wir in den letzten Monaten gesehen.
Es ist auch der Hartnäckigkeit von uns Grünen zu verdanken, dass die Debatte über bessere Strukturen und Regelungen in der Organspende nicht beendet wurde. Es gab ja manchen, der das gerne gesehen hätte, sei es, um von eigenem Fehlverhalten abzulenken, sei es aus der fragwürdigen Überzeugung, zu viel Transparenz würde zu Vertrauensverlust führen. Hätten wir dem nachgegeben, wäre es eher bei marginalen Änderungen geblieben. Wir sind ganz im Gegenteil der Überzeugung, dass ein starkes Signal für Transparenz und unabhängige Kontrollen erst Vertrauen sichern bzw. wiederherstellen kann. Es gab und gibt bei manchen Beteiligten anscheinend fortdauernd eine große Furcht davor, die wirklichen -Ursachen der Organspendeskandale der letzten Monate zu betrachten, weil dies zwangsläufig dazu führt, die derzeitigen Strukturen im Transplantationssystem ganz grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen.
Durch zwar lange, aber zuletzt ergebnisorientierte Beratungen zwischen den Berichterstattern der Fraktionen und dem BMG konnten wir in der letzten Woche einige wichtige Änderungen im Transplantationsgesetz beschließen. Die grüne Hartnäckigkeit hat sich gelohnt: Wir haben die Richtlinien der Bundesärztekammer unter einen Genehmigungsvorbehalt gestellt. Und wir haben einen neuen Straftatbestand für Wartelistenmanipulationen geschaffen.
Zudem ist die Einführung eines Transplantationsregisters geplant, mit dem zukünftig die Qualität von Transplantationen dauerhaft überwacht werden soll. -Darüber hinaus wird die Bundesregierung verpflichtet, dem Deutschen Bundestag in den nächsten Jahren jährlich einen Bericht über aktuelle Entwicklungen in der Transplantationsmedizin vorzulegen. Damit soll der Gesetzgeber zukünftig in die Lage versetzt werden, Fehlentwicklungen frühzeitig entgegenzuwirken.
Schließlich haben wir eine Fachanhörung zu der Frage durchgeführt, wie eine geeignete öffentlich-rechtliche Legitimierung und Verantwortung sowohl der -Organisation der Organspende als auch der Kontrolle des Transplantationssystems, einschließlich des Vermittlungsverfahrens, organisiert werden muss.
Von all diesen Änderungen war im letzten Herbst noch nicht die Rede – wenigstens nicht in der Koalition. Wenn Sie ehrlich sind: Wir haben Sie da auch ein bisschen zum Jagen tragen müssen.
Uns verbindet die Hoffnung, das Vertrauen der Bevölkerung in die Organspende wiederherstellen zu können. Der vorliegende interfraktionelle Antrag ist als öffentlicher parlamentarischer Beitrag sicher ein wichtiges Signal. Gerade weil – wie wir am Montag in der Anhörung von der Vorsitzenden der Prüfungskommission gehört haben – nicht ausgeschlossen ist, dass bei den geplanten, nun anstehenden Prüfungen weitere Manipulationen ans Licht kommen, ist es wichtig, dass der Gesetzgeber unmissverständlich klarmacht, dass nunmehr Transparenz, unabhängige Kontrollen und Verteilungsgerechtigkeit auf der Grundlage rechtsstaatlicher Kriterien das deutsche Transplantationswesen bestimmen müssen.
Erst dann besteht überhaupt die Chance, dass eine hoffentlich ergebnisoffene Aufklärung wie etwa die Informationen der Krankenkassen an dem unguten Gefühl, das viele Menschen derzeit beim Thema Organspende beschleicht, etwas werden ändern können. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass sie zur Organspende überredet werden sollen. Nur so lässt sich das Vertrauen der Bevölkerung in das System nachhaltig wieder herstellen.
Wir unterstützen den interfraktionellen Antrag, weil er die schon genannten wichtigen Änderungen enthält. Die vielen Enthüllungen der letzten Monate haben aber auch gezeigt, dass es sich dabei eben nicht – wie oft behauptet – um bedauerliche Einzelfälle handelt.
Wir sind daher weiterhin der Ansicht, dass es weitere grundlegendere Strukturveränderungen in der Transplantationsmedizin braucht. Viele Ärztinnen und Ärzte, die vor Ort in diesem Bereich tätig sind, teilen übrigens diese Ansicht. Die Feststellung, dass wir beispielsweise zu viele Transplantationszentren in Deutschland haben, die in ungutem Konkurrenzdruck zueinander stehen, gehört mittlerweile schon fast zum Allgemeingut – selbst bei den Vertretern der Selbstverwaltung. Und auch die Tatsache, dass die derzeitigen Kontrollgremien gar nicht über die Kapazitäten verfügen, eine dauerhafte Kontrolle aller Zentren sicherzustellen, ist eigentlich allen Beteiligten klar.
Darüber hinaus müssen sämtliche Vermittlungs-entscheidungen – auch solche, die auf Ausnahmeregelungen basieren – transparent gemacht werden.
Es bleibt zu hoffen, dass die zukünftige Bundesregierung hier vorausschauender agiert und zusammen mit dem Bundestag für ein vertrauenswürdiges System sorgt, damit sich die Probleme um die Organspende nicht zu einem „Schrecken ohne Ende“ entwickeln.