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23.01.12 –
Die Mängel des bestehenden Zulassungsverfahrens werden deutlich angesichts der großen Zahl von durch die Hersteller zurückgerufener Produkte bzw. Produktchargen. So wurden zwischen 2009 und 2011 jährlich ca. 30 bis 70 nichtaktive Implantate zurückgerufen.[1]
Die Zahl der Risikomeldungen zu diesen Implantaten hat sich von 2000 zu 2010 nahezu verdreifacht.[2] Besonders häufig in der Kritik stehen Endoprothesen. Neuere Untersuchungen auf der Grundlage von GKV-Routinedaten zeigen, dass 3,45 Prozent aller Hüftendoprothesen innerhalb von zwei Jahren nach der Implantation ausgetauscht werden mussten. Ursächlich waren in fast 70 Prozent der Fälle mechanische Komplikationen. Ähnliche Probleme scheint es bei Knieendoprothesen zu geben.[3]
Grundsätzlich bedenklich ist auch die Zertifizierung durch Benannte Stellen. So erscheint es widersinnig, warum klinische Bewertungen und deren Design vorab zwar zentral durch das BfArM (oder das PEI) genehmigt und zwischenzeitlich überwacht werden müssen. Die Marktzulassung aufgrund dieser Untersuchungen und somit auch die Bewertung der Studienergebnisse erfolgt jedoch durch Benannte Stellen.
Es ist zweifelhaft, ob diese in der Regel technisch ausgerichteten Stellen in der Lage sind, Unzulänglichkeiten in den Studienergebnissen und medizinische Sachverhalte bei der Zertifizierung zu erfassen. Offenbar werden in manchen Fällen auch nicht die Produkte selbst, sondern hierzu eingereichte Unterlagen geprüft.[4]
Zudem wird kritisiert, dass die vorhandene CE-Kennzeichnung anders als behauptet keinesfalls einem Qualitätssiegel gleichkommt, sondern lediglich den Ausschluss von Infektionsrisiken, die Gewährleistung der physikalische Sicherheit sowie die Vollständigkeit und Verständlichkeit der Gebrauchsanweisungen und die Einhaltung der zugesagten Produkteigenschaften zum Ziel hat.
Der medizinische Nutzen wird damit keineswegs bestätigt, wie das Beispiel von Stents zeigt, die in Blutgefäßen des Schädels zur Prophylaxe von Schlaganfällen eingesetzt wurden. Eine aktuelle Studie aus den USA mit 400 Probanden zeigte hingegen, dass die Stents zwar die Gefäße physikalisch offenhalten und damit die versprochene Produktleistung erreichen, zugleich aber das Schlaganfallrisiko für die betreffenden Patienten im Vergleich zu einer alleinigen medikamentösen Therapie auf etwa das Dreifache erhöhen.[5]
Ein anderes Beispiel: Seit einigen Jahren wird zur Behandlung von Schmerzen infolge einer teilweisen oder vollständigen Wirbelfraktur sowie zur Stabilisierung Zement in den betroffenen Wirbel gespritzt (Vertebroplastie). Neuere Studien zeigen jedoch, dass das Risiko von Frakturen in benachbarten Wirbeln ansteigt. Andere Studien zeigen, dass die schmerzlindernde Wirkung dieser Methode nicht größer ist als bei Verwendung eines Placebos.[6]
Bemängelt wird, dass mit dem Arzneimittelrecht vergleichbare Standards für die klinischen Prüfungen der Medizinprodukte fehlen. Zwar müssen die Studien seit 2010 vorab durch BfArM bzw. PEI genehmigt werden – dabei wird auch geprüft, ob der Prüfplan geeignet ist, die geforderten Nachweise zu erbringen – doch sollen die Studien lediglich belegen, ob die vom Hersteller angegeben Produktleistungen erreicht werden und ob etwaige Risiken in einem angemessenen Verhältnis zu den Leistungen des Produkts stehen.
Kontrollierte randomisierte klinische (und soweit möglich auch verblindete) Studien (gegen Placebos oder vorhandene Therapiealternativen) sind die Ausnahme und nicht vorgeschrieben. Zumindest für Medizinprodukte der Klasse III wäre dies sinnvoll.
PIP-Implantate
Fraglich ist, ob die im Medizinprodukterecht sowie in den ärztlichen Berufsordnungen definierte Pflicht zur Meldung von „Vorkommnissen“ durch Ärzte und Hersteller richtig umgesetzt wird. So meldete das BfArM mit Stand 21.12.2011 19 Fälle von gerissenen Implantaten der Firma PIP – und empfahl auf dieser Grundlage jedoch keine prophylaktische Extraktion der Implantate.
Am 10. Januar 2012 zählte das BfArM hingegen plötzlich 25 Fälle und begründete so seine plötzliche Empfehlung einer prophylaktischen Entfernung. Es gibt also offensichtlich Probleme bei der Registrierung der Vorkommnisse sowie ähnlich wie im Arzneimittelbereich Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der ärztlichen Meldepflicht.
Hinzu kommt, dass anscheinend klare Kriterien für das BfArM fehlen, wann welche Art der Empfehlung sachgerecht ist. Ein dem arzneimittelrechtlichen Stufenplanverfahren vergleichbares Maßnahme-Regiment fehlt.
Presseberichten ist zu entnehmen, dass bei vielen Patientinnen nach wie vor Unklarheit darüber besteht, ob bei ihnen ein PIP- bzw. Rofil-Implantat verwendet wurde. [7] Diesen Berichten ist auch zu entnehmen, dass die zuständigen Landesbehörden erst jetzt dabei sind, sich einen Überblick über die verwendeten PIP-und Rofil-Implantate zu verschaffen bzw. einige Behörden noch gar keinen Überblick haben.[8],[9]
Grüne Forderungen
2012 ist eine Revision der drei EU-Medizinprodukterichtlinien geplant. Auf deren Grundlage wird es auch eine Änderung des Medizinproduktegesetzes geben. Abgesehen davon sind eine Reihe von Maßnahmen denkbar, die über das EU-Medizinprodukterecht hinausgehend realisiert werden könnten:
Im Hinblick auf die Änderung der EU- Medizinprodukterichtlinien fordern wir:
Quellen:
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