Rede zu Cannabis-Clubs und Drugchecking

Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Harald Terpe für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Auch von mir Hochachtung angesichts der großen Teilnahme an der Diskussion!

Ich fange an mit einem Zitat von Dr. Gaßmann, dem Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Sucht-fragen, die den größten Teil der Suchtkrankenhilfe vertritt. Zitat:

"Nach so vielen Jahrzehnten ergebnisloser Diskussionen sind wir nicht mehr an Glaubenssätzen, Meinungen und Allgemeinplätzen zur Prohibition interessiert. Wir erwarten Beweise. Für die Vorteile von Prohibition wurde noch kein einziger vorgelegt. Diejenigen dagegen mehren sich von Jahr zu Jahr. Ob uns das gefällt oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle. Es sei denn, Suchtpolitik wäre eine Geschmacksfrage."

Ich denke, die Suchtkrankenhilfe steht nicht in dem Ruf, die Risiken psychoaktiver Substanzen zu verniedlichen, und das machen wir auch nicht. Aber was Dr. Gaßmann und auch wir einfordern, ist nichts weniger als eine sachliche und faktenbasierte Auseinandersetzung mit den Folgen der herrschenden Drogenpolitik für Konsumenten und für unsere Gesellschaft, im Übrigen auch für andere Staaten.

Stattdessen erleben wir ideologische Ablenkungsmanöver; ein Teil davon ist heute zur Sprache gekommen. Da geht es dann um Fragen wie: Ist der THC-Gehalt gestiegen? Ist Cannabis eine Einstiegsdroge? Dient Drugchecking der Förderung des Drogenkonsums?

Einmal abgesehen davon, dass man alle diese Fragen faktenbasiert klar verneinen muss, finde ich sie im Kern irrelevant.

(Zuruf von der FDP: Ach was?)

Worauf es mir ankommt, ist: Wir müssen grundsätzlich darüber diskutieren. Sie sind irrelevant, weil die eigentliche Kernfrage lauten muss: Was müssen wir tun, um die Folgen riskanter Formen des Drogengebrauchs für den Einzelnen und die Gesellschaft zu minimieren?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Also nicht „Drogengebrauch, ja oder nein?“, sondern „Riskanter Drogengebrauch, ja oder nein?“ ist die Frage. Sicher sind die von Union, FDP und – wie ich heute gehört habe – SPD befürwortete Drogenprohibition und Repression als Antwort und Lösung gänzlich ungeeignet und gestrig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es gibt keinen einzigen seriösen wissenschaftlichen Beleg für den Nutzen der Prohibition. Wir wissen das auch aus der Geschichte, beispielsweise der amerikanischen. Stattdessen wird mit der Prohibition ein Schwarzmarkt geschaffen, auf dem keine Regeln gelten und der die roheste Form eines Marktes darstellt. Dort gibt es keinen Jugendschutz, keine Öffnungszeiten, keinen Verbraucherschutz, keine Preisregulierung. Das findet alles nicht statt.

Nur in einem legalen Markt mit vernünftiger Regulierung der Substanzen können Sie die gesundheitlichen und gesellschaftlichen Schäden verringern. Prohibitive Politik schafft zusätzliche Risiken und kriminalisiert die Konsumentinnen und Konsumenten, mit häufig schlimmen Folgen gerade für junge Menschen. Sie hat auch erhebliche Folgen für unsere Gesellschaft. Mehr als zwei Drittel der gesamten drogenbezogenen Ausgaben des Staates werden für repressive Maßnahmen ausgegeben, gehen in die Verfolgung von Konsumentinnen und Konsumenten. Dadurch fehlt es beispielsweise an Geld für Prävention und Hilfsangebote. Die repressive Säule unserer Drogenstrategie erreicht das angestrebte Ziel überhaupt nicht – in Deutschland nicht und in Europa nicht.

Lassen Sie mich zum Abschluss sagen, dass die Drogenpolitik auch ein internationales Problem ist. Viele Beispiele zeigen, dass die Stabilität von Staaten gefährdet wird und elementare Menschenrechte eingeschränkt werden. Beispielsweise gab es in Mexiko 50 000 Tote im Drogenkrieg. Ein weiteres Beispiel ist Kolumbien, wo Korruption und Drogenkartelle den Staat zerstören. -Ähnliche Entwicklungen gibt es in Brasilien, Kenia und in anderen Staaten.

Ich frage Sie: Wollen wir auf diesem Weg immer weitergehen? Ich glaube, die Antwort der beiden vorliegenden Anträge von den Grünen und den Linken auf diese Frage ist ganz klar. Nein, so können wir nicht weiter-machen. Das realitätsblinde Weiter-so in der Drogen-politik muss ein Ende haben. Wir brauchen eine ehrliche Analyse der derzeitigen Drogenpolitik und darauf aufbauend eine grundlegende Reform.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und guten Heimweg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)