Entschädigung von mit HCV infizierten Blutern

Vor 25 Jahren haben sich durch verseuchte Blutprodukte viele Menschen mit dem HIV-Virus infiziert. Sie wurden dafür mit finanzieller Beteiligung des Staates entschädigt, weil im Ergebnis der Erkenntnisse eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses die Mehrheit des Deutschen Bundestages die politische Verantwortung für Versäumnisse des Bundesgesundheitsamtes übernommen hatte. Vor 25 Jahren haben sich durch gleichartige verseuchte Blutprodukte aber auch viele Menschen mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert. Sie wurden bisher dafür nicht entschädigt, obwohl der genannte Untersuchungsausschuss bezüglich der mit HCV verseuchten Blutprodukte dieselben Versäumnisse wie im Falle der mit HIV verseuchten Produkte festgestellt hatte. Und dennoch verweigern das Bundesgesundheitsministerium, Union, SPD und FDP diesen Menschen eine Entschädigung. Und schlimmer noch: Sie behaupten, die Infektionen seien ein unvermeidbares Ereignis gewesen. Man muss das so klar sagen: Das entspricht nicht der Wahrheit. Im Bericht des Untersuchungsausschusses von 1995, den auch SPD und Union damals beschlossen haben, steht wörtlich das Gegenteil:

"Das Fehlen jeglicher Reaktionen seitens des Bundesgesundheitsamtes auf die Gefahr der Hepatitisinfektionen muss als Versäumnis und folglich als Amtspflichtverletzung gewertet werden."

Seit spätestens Anfang der 70er-Jahre wusste das Bundesgesundheitsamt von der Gefahr, dass eine virale (Non A/ Non B)Hepatitis durch infizierte Blutspenden und Blutprodukte übertragen werden konnte. Spätestens ab 1981 standen alternativ virusinaktivierte Präparate zur Verfügung, bei denen eine solche Gefahr nicht bestand. Dennoch wurden bis 1985 auch weiterhin nicht inaktivierte Produkte zugelassen, obwohl beispielsweise Faktor-VIII-Hochkonzentrate spätestens ab 1983 als bedenkliche Arzneimittel hätten eingestuft und ihre Verkehrsfähigkeit verlieren müssen. Erst 1990 mussten alle nicht inaktivierten Produkte aus dem Verkehr gezogen wurden.

Das Bundesgesundheitsamt ist damals auf dieses Risiko wiederholt hingewiesen worden. Dennoch verharrte es in seiner Untätigkeit - fast wie jetzt die Bundesregierung im Hinblick auf die Schaffung einer angemessenen Entschädigungsregelung. Das Bundesgesundheitsamt hat es damals weder für notwendig erachtet, die Zulassung solcher Risikoprodukte zu widerrufen oder ruhen zu lassen, noch die Auflage zu erteilen, derartige Produkte zukünftig nur noch nach einer Inaktivierung auf den Markt zu bringen. In diesem Zusammenhang ist es auch völlig unerheblich, ob damals bereits ein entsprechender Antikörpertest zur Verfügung stand oder nicht. Zu Recht hat der Untersuchungsausschuss zu HIV und Aids diese Untätigkeit auch im Falle der Infektionen mit Hepatitis C als schuldhafte Amtspflichtverletzung gewertet. Die Entschädigung der Menschen, die in diesem Zeitraum infiziert wurden, ist dringend notwendig. Das Leid, das diese Menschen durch ihre Infektion erfahren haben, kann nicht rückgängig gemacht werden. Aber angesichts der bislang von der Bundesregierung, von Union, SPD und FDP gezeigten Verweigerungshaltung wäre der Einsatz für eine solche Entschädigung auch und in erster Linie ein Zeichen politischer Reife, weil sie die staatliche Mitverantwortung für das Geschehene nicht mehr kategorisch leugnet - und ein überfälliger Ausdruck des Bedauerns. Der Untersuchungsausschuss zu HIV und Aids hat 1995 klare Versäumnisse des damaligen Bundesgesundheitsamtes festgestellt. Auf dieser Grundlage wurde eine Entschädigungsregelung für diejenigen Menschen geschaffen, die sich durch verseuchte Blutprodukte mit HIV infiziert hatten. Ursache dieser Infektionen waren exakt dieselben Versäumnisse, die zur Infektion der Hämophilieerkrankten mit Hepatitis C führten.

Es ist eine Missachtung des Parlaments, dass die Bundesregierung die Erkenntnisse dieses parlamentarischen Untersuchungsausschusses ignoriert. Und es ist eine Missachtung des Parlaments, dass die Bundesregierung seit Jahren versucht, statt eine gerechte Entschädigungslösung zu schaffen, den Sachverhalt immer weiter zu vernebeln. Es ist vor allem aber eine Ungeheuerlichkeit, wie die Bundesregierung Tatsachen leugnet und diesen Menschen Gerechtigkeit verwehrt. Fiskalische Erwägungen vermögen dieses sture Beharren nicht zu erklären - ebenso wenig wie die Angst vor weiteren juristischen Auseinandersetzungen. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass es hier in erster Linie um einen verzweifelten Versuch der Gesichtswahrung handelt, die ein vor 25 Jahren stattgefundenes staatliches Versagen einfach negieren will. Verlierer sind dabei die Betroffenen. Es ist an der Zeit, eine gerechte Entschädigungsregelung zu schaffen und dabei alle damals beteiligten Akteure - den Bund, die Länder, pharmazeutische Unternehmen und Blutspendedienste - mit einzubeziehen. Ein Vorbild gibt es dafür bereits: das 1995 beschlossene HIV-Hilfegesetz. Ich fordere daher die Bundesregierung und die Fraktionen von Union, SPD und FDP auf, endlich die Tatsachen zu akzeptieren und sich schnellstmöglich für eine humanitäre Entschädigung der Erkrankten einzusetzen.