Rede zur abschließenden Lesung des Gewebegesetzes

Sehr geehrte(r) Frau/Herr Präsident(in), Kolleginnen und Kollegen, liebe Kolleginnen und Kollegen auch der Koalition,

Sie scheuen offenbar die öffentliche Auseinandersetzung über die ethischen Folgen Ihres Gewebegesetzes. Anders lässt sich wohl kaum erklären, dass die Plenardebatte um dieses Gesetz zu so später Stunde aufgesetzt worden ist.

Sie wollen, dass dieser Gesetzentwurf ohne viel weitere öffentliche Aufmerksamkeit und Widerstand verabschiedet werden kann. Offenbar weil von den versammelten Fachleuten in der Anhörung zum Teil erhebliche Kritik an ihrem Gesetzentwurf kam.

Dennoch zeugt es von einer ziemlichen Ignoranz, wie das zuständige Bundesministerium die einmütige Kritik dieser Verbände und Experten an sich abperlen ließ. Es ist in erster Linie den Kolleginnen und Kollegen der Union zu verdanken, dass an dem vorgelegten Entwurf überhaupt noch etwas geändert wurde. Die SPD hat die kritischen Stimmen aus den eigenen Reihen - wie auch schon bei der Gesundheitsreform – verhallen lassen.

Loyalität zur eigenen Ministerin mag ja grundsätzlich eine begrüßenswerte Eigenschaft sein – aber sie sollte Grenzen haben. Zumal wenn es um so bedeutsame medizinische und ethische Fragen geht.

Auch wenn einige der aus Ihren Reihen in letzter Minute vorgelegten Änderungsanträge in die richtige Richtung weisen, lehnen wir den Gesetzentwurf ab. Wir können keinen Gesetzentwurf mittragen, der einen Handel mit Gewebetransplantaten eben nicht grundsätzlich und wirksam ausschließt. Aufgrund neuer Behandlungsverfahren lassen sich heutzutage mit menschlichen Geweben erhebliche Gewinne erwirtschaften. Sowohl aus ethischen Gründen wie auch aus Gründen des Patientenschutzes müssen wir verhindern, dass sich der Umgang mit Teilen des menschlichen Körpers an kommerziellen Interessen ausrichtet. Deshalb halten wir die Umsetzung der EU-Richtlinie im Rahmen des Arzneimittelrechts für den nicht zu heilenden Konstruktionsfehler des vorliegenden Entwurfs. Dies führt auch dazu, dass nunmehr das Handelsverbot des Transplantationsgesetzes über den § 21 des Arzneimittelgesetzes ausgehebelt werden kann. Die unbestimmten Regelungen zur Entschädigung für Spender tragen auch ihren Teil zur drohenden Kommerzialisierung bei.

Wir werden diesem Gesetzentwurf auch deswegen nicht zustimmen, weil er keine gerechte und an den Interessen der Patientinnen und Patienten orientierte Verteilung von Gewebetransplantaten gewährleistet. Bei Organspenden haben wir so ein Verfahren – und damit auch eine rechtliche Handhabe für Fälle wie jüngst in Essen, wo ein Chefarzt im Verdacht steht, eine Patientin gegen die Zahlung einer fünfstelligen Summe bei einer Lebertransplantation bevorzugt zu haben. Für Gewebe sieht der vorliegende Gesetzentwurf gar kein Verteilungsverfahren vor. Das heißt, am Ende zählt nicht die Bedürftigkeit, sondern finanzielle Kriterien entscheiden darüber, wer ein Transplantat bekommt. Ich kann mir nicht vorstellen, wie insbesondere die Sozialdemokraten dies ihren Wählerinnen und Wählern erklären wollen.

Es ist erstaunlich, wie wenig das Bundesgesundheitsministerium trotz gegenteiliger öffentlicher Bekenntnisse wie zuletzt durch Ministerin Schmidt beim Deutschen Ärztetag bereit war, sich den ethischen Bedenken am Gesetzentwurf zu öffnen. In der Frage der Knochenmarksspende durch Nichteinwilligungsfähige haben Sie buchstäblich in letzter Sekunde zwar noch die Kurve gekriegt. Die Gewinnung von fötalem und embryonalem Gewebe ist aber weiterhin trotz der Kritik vor allem auch der Kirchen bedenklich unklar geregelt.

Zusammenfassend finde ich es besonders erstaunlich, dass sich ausgerechnet ein sozialdemokratisch geführtes Gesundheitsministerium zum Vorreiter einer schleichenden Kommerzialisierung des menschlichen Körpers macht. Sollten Sie sich der Tragweite der mit diesem Gesetz vorgesehenen Regelungen bewusst sein, kann ich nur an Sie appellieren: Tun Sie es uns gleich und lehnen Sie diesen Gesetzentwurf ab.