Änderung des Anti-D-Hilfegesetzes

Vizepräsident Eduard Oswald:

Der nächste Redner ist unser Kollege Dr. Harald Terpe für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön, Kollege Dr. Terpe.

Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):

Herr Präsident! Lassen Sie mich zunächst da-rauf hinweisen, dass auf der Regierungsbank ein neues Gesicht zu sehen ist. Herzlichen Glückwunsch, Frau Staatssekretärin, zu Ihrem neuen Amt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verseu-chung von Blutprodukten mit Hepatitis-C-Viren und die daraus entstandenen Infektionen sind schon mehrfach Thema im Parlament gewesen. Dies betraf nicht nur die Frauen, die in der DDR um das Jahr 1979 mit einer verunreinigten Charge von Anti-D-Immunglobulinen infiziert wurden. Es betraf auch jene an Hämophilie Er-krankten, die sich in den 80er Jahren mit Hepati-tis-C-Viren durch verseuchte Blutprodukte infi-zierten, obwohl staatliche Behörden die Risiken bereits hinlänglich erkannt hatten. Für die Frauen aus der ehemaligen DDR gibt es mit dem so-genannten Anti-D-Hilfegesetz immerhin eine ge-setzliche Entschädigungsregelung. Infizierte Frauen erhalten eine Entschädigung entweder als Einmalzahlung oder als monatliche Rente, wenn eine Folgeerkrankung der HCV-Infektion mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 bzw. 30 Prozent einhergeht. So weit die gesetz-liche Regelung.

In der Praxis kommt es jedoch häufig zu Problemen; das wissen wir alle. Dies betrifft vor allem die Frage, ob die gesundheitliche Schädi-gung in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Infektion steht, insbesondere dann, wenn die Viruslast unter der Nachweisgrenze liegt; darüber hat es die meisten Diskussionen gegeben. Diese Ursächlichkeit nachzuweisen, obliegt der-zeit den betroffenen Frauen. Wir wissen jedoch, dass eine Reihe unterschiedlicher Krankheits-symptome und Schädigungen durchaus auf eine Infektion mit Hepatitis C zurückzuführen ist, was man vielleicht primär nicht annehmen würde. Dazu zählen neben den typischen Leberentzün-dungen mit Fibrosen Leberkrebs, Zuckerkrank-heit, Lungen- und Gelenkerkrankungen sowie neuropsychiatrische Erkrankungen wie Depres-sionen. In diesen Fällen könnte die von den Lin-ken vorgeschlagene Beweislast-umkehr mögli-cherweise eine Hilfe für einzelne betroffene Frauen sein, die aus dem Anti-D-Hilfegesetz re-sultierenden Entschädigungsleistungen in An-spruch zu nehmen. Ob diese Vermutung tat-sächlich zutrifft, ob den Frauen damit wirklich geholfen ist, werden wir sicher im Laufe der wei-teren parlamentarischen Diskussion klären kön-nen.

Beweislastumkehr hin oder her, eines ist klar: Am Ende bleibt die Entschädigung im Rahmen des Anti-D-Hilfegesetzes auch dann eine Er-messensentscheidung, wenn der Zusammen-hang zwischen Infektion und Schädigung belegt ist; denn ein Gutachter entscheidet, welchen Grad die Schädigung hat. Dieser Schädigungs-grad bestimmt letztendlich darüber, ob eine Ent-schädigung gezahlt wird und wenn, in welcher Form; das ist eine gutachterliche Frage. Liegt der Grad der Schädigung beispielsweise unter 30 Prozent, wird keine monatliche Rente gezahlt. Eine solche Bewertung ist nur bis zu einem gewissen Grade objektivierbar, und sie ist weitgehend unabhängig davon, wer die Beweis-last für die Ursachen der gesundheitlichen Schädigung trägt.

Ich habe vor einigen Jahren in Mecklenburg-Vorpommern selbst als Arzt im Rahmen einer ständigen Arbeitsgruppe bei der Begutachtung solcher Fälle mitgewirkt. Sowohl ich als auch die Kolleginnen und Kollegen, die daran beteiligt waren, haben es sich bei diesen Entscheidungen niemals einfach gemacht. Wir haben versucht, den Frauen auch in den Fällen gerecht zu werden, wo nur eine eher unspezifische Symp-tomatik wie die schon beschriebenen Depressi-onen oder Müdigkeitssymptome vorgelegen hat. Dabei hat man sich immer am wissenschaftli-chen Standard orientiert.

Ich will vor diesem Hintergrund nicht verheh-len, dass ich Zweifel habe, ob die von den Lin-ken vorgeschlagene Lösung den Frauen weiter-hilft. Vielleicht ist ein außergerichtliches Verfah-ren auf Basis verbindlich verordneter Begutach-tungskriterien, die immer wieder wissenschaftlich angepasst werden müssen, in Gutachter-ausschüssen der bessere Weg.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Eduard Oswald:

Wir haben Ihnen zu danken. Kollege Dr. Harald Terpe, vielen Dank.