Abschaffung der Praxisgebühr

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Der Kollege Dr. Harald Terpe hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Krankenkassenbeiträge sind das Geld der Versicherten, die meines Erachtens einen Anspruch auf verantwortungsvollen und zweckdienlichen Umgang mit diesen Beiträgen haben. Es bedarf also guter Gründe im Falle kumulierender Überschüsse, diese den Versicherten vorzuenthalten.

Ja, wir haben Überschüsse, vor allem weil die Versicherten mit dem höchsten Einheitsbeitrag der Geschichte in Vorleistung gegangen sind

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und weil die konjunkturelle Entwicklung in der letzten Zeit günstig verlaufen ist. Ist diese Entwicklung aber nachhaltig? Das ist doch die Frage. Zumindest wissen wir, dass die Finanzierung der Sozialsysteme mit dem Konjunkturverlauf atmet, wir wissen aber auch, dass sie vor allem nachhaltig ausgestattet werden muss. Das System der Zusatzbeiträge, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union und der FDP, ist alles andere als nachhaltig, und zwar besonders deshalb, weil es das Solidarprinzip aushöhlt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Aber Überlegungen nach Art der Redewendung „Der kluge Mensch baut vor“ gehören für uns natürlich auch zur nachhaltigen Betrachtung. Wir kommen nach sorgfältiger Abwägung zu dem Schluss, dass es Spielraum für die Abschaffung der Praxisgebühr gibt. Man könnte jetzt sagen, damit wäre die Sache zu Ende, aber wir wollen uns noch mit der FDP beschäftigen.

(Beifall bei der SPD)

Das werden wir gleich machen. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Praxisgebühr 2004 beschlossen wurde und die zugedachte Funktion nicht erfüllt hat. Das haben viele hier schon gesagt. Sie gehört deshalb abgeschafft. Für uns ist es wichtig, die dadurch entstehenden Einnahmeausfälle der Krankenkassen durch den Gesundheitsfonds auszugleichen oder besser noch durch den Beitragssatzwettbewerb der Krankenkassen, den wir gerne wieder einführen wollen.

Die Kolleginnen und Kollegen der FDP haben voller Überzeugung gesagt, nichts lieber machen zu wollen, als die Praxisgebühr abzuschaffen. Das ist gestern und heute noch einmal gesagt worden. Somit könnte der heutige Tag für Sie ein guter Tag werden. Sie könnten gemeinsam mit uns hier und jetzt für die Abschaffung der Praxisgebühr stimmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Dann würden wir sehen, ob es sich nur um ein Schauspiel handelt oder ob es wirklich Ihr Wille ist. Sie waren jedenfalls schon 2004 nicht diejenigen, die sich vehement gegen die Praxisgebühr gewendet haben. Vielmehr hatte Ihr damaliger Diskutant Herr Gerhardt Ihre Gesundheitspolitik hier begründet. Sein Konzept bestand im Wesentlichen darin, dass er die gesetzliche Krankenversicherung durch eine kapitalgedeckte Privatversicherung ersetzen wollte und dass er die Beschränkung des Leistungskatalogs der solidarischen Krankenversicherung gefordert hat.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So war das!)

Warum sammeln Sie nicht einfach dafür Unterschriften in Kiel, Neumünster und Lübeck? Ich wäre gespannt, wie die Menschen auf der Straße damit umgehen würden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich glaube, es geht Ihnen gar nicht darum, für die Patienten etwas Gutes zu tun oder vielleicht die Versicherten zu entlasten. Dieser Eindruck drängt sich mir auch deswegen auf, weil zur gleichen Zeit, in der Sie in Schleswig-Holstein Unterschriften für die Abschaffung der Praxisgebühr sammeln, Ihr Gesundheitsminister in Berlin ein Kompensationsgeschäft mit dem Finanzminister eingeht. Finanzminister Schäuble darf den steuerlichen Sozialausgleich einsammeln,

(Zuruf von der LINKEN)

im Gegenzug erhält Ihr Minister 200 Millionen Euro für seine Idee einer privaten Pflegezusatzversicherung. Die gesetzlich Versicherten bezahlen also letztlich mit ihren Zusatzbeiträgen dieses Geschenk der FDP an die privaten Versicherungsunternehmen.

(Zuruf von der LINKEN: Ja, und das ist ein Skandal!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie haben jetzt gleich die Möglichkeit, sich zu beweisen und das Schmierentheater zu beenden, indem Sie mit uns zusammen für die Abschaffung der Praxisgebühr stimmen. Geben Sie sich einen Ruck! Dann müssen Sie auch nicht auf den Straßen von Schleswig-Holstein herumstehen und Unterschriften sammeln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)