Ausübung der Patientenrechte im grenzüberschreitenden Verkehr

Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Der Antrag der Linken spricht eine wichtige Frage an, schießt dabei aber über das Ziel hinaus. In der Tat kann man das Verhalten der schwarz-gelben Bundesre-gierung in den abschließenden Verhandlungen zur EU-Patientenrichtlinie kritisieren. Wie so oft hat sie nicht nach der Lösung gesucht, die für die Patienten am besten ist, sondern nach der, die die Interessen bestimmter Berufsgruppen oder Branchen bedient. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ein FDP-geführtes Gesundheitsministerium ernsthaft gegen das Prinzip der Kostenerstattung gewehrt hat. Im Gegenteil: Der Vorschlag kam Ihnen wahrscheinlich ganz gelegen.

Und die Union hat dies leider auch nicht getan. Wir hätten es begrüßt, wenn sie zumindest die Idee ihres Unionskollegen Dr. Peter Liese aus dem Europäischen Parlament aufgegriffen hätten. Er hatte vorgeschlagen, dass Krankenkassen planbare Behandlungen im Ausland, für die sie eine Vorabgenehmigung erteilen müs-sen, über ein Gutscheinsystem direkt mit den Leistungserbringern abrechnen. Damit hätte man zumindest bei sehr aufwendigen und entsprechend teuren Behandlungen verhindern können, dass Patienten in Vorleistung gehen müssen. Die Bundesregierung hat bislang noch nicht klar gesagt, warum sie diesen Vorschlag abgelehnt hat. Natürlich kann man immer argumentieren: Wir wollen ja gar nicht, dass Patienten abwandern. Wir wollen auch im Interesse der grenznahen strukturschwachen Regionen die Patientinnen und Patienten möglichst im Land halten, damit dort die Versorgungs-strukturen nicht noch mehr ausgedünnt werden. Das ist auch grundsätzlich nachvollziehbar. Nur gehe ich angesichts Ihrer zögerlichen Herangehensweise bei der Verbesserung der Versorgungsstrukturen im Inland kaum davon aus, dass dieser Aspekt für Sie handlungsleitend war.

Eine Befragung von Patienten durch die Techniker Krankenkasse hat ergeben, dass es in erster Linie Rentner und Personen mit kleinen Einkommen sind, die eine Behandlung im EU-Ausland in Anspruch nehmen – und dies oft, um auf diese Weise Zuzahlungen und andere privat zu tragende Kosten zu vermeiden. Diese Menschen können oft keine hohen Vorauszahlungen leisten. Gerade diese Menschen könnten zukünftig von ihren Krankenkassen unter Druck gesetzt werden, sich bei aufwendigen Therapien in Nachbarländern behandeln zu lassen. Denn auch Krankenkassen haben mitunter ein Interesse daran, auf diesem Wege Geld zu sparen. Ich hätte mir gewünscht, dass die Bundesregierung diese Gefahr in der Debatte angesprochen und entsprechende Schutzmechanismen eingezogen hätte, damit eine Auslandsbehandlung wirklich immer einer autonomen Entscheidung des Patienten entspringt.

Das geringe Interesse der Bundesregierung an den Bedürfnissen der Patienten sieht man auch bei einem anderen Punkt: Wer sich im EU-Ausland behandeln lassen will, wird hierzulande weiterhin kaum Möglichkeiten haben, sich über diese Behandlung genauer zu informieren. Die nach der Richtlinie einzurichtende nationale Kontaktstelle soll auch nach Ihrem Willen nur Informationen über Versorgungsangebote im Inland bereitstellen. Wer eine Beratung über Behandlungsmöglichkeiten, Qualitätsstandards oder rechtliche Fragen wie etwa Schadensersatzansprüche in einem anderen Mitgliedstaat sucht, bleibt weiterhin auf die dortigen Kontakt-stellen verwiesen. Diese Kontaktstellen sind allerdings nur verpflichtet, Informationen in ihrer jeweiligen Landessprache zur Verfügung zu stellen. Ein zusätzliches Informationsangebot, beispielsweise in Englisch, wurde durch den Rat abgelehnt. Daher wird absehbar sein, dass eine umfassende Aufklärung von Patienten vor Antritt oder im Nachgang einer Behandlung kaum gewährleistet ist.

Genauso wenig Unterstützung erhalten gesetzlich versicherte Patientinnen und Patienten, wenn sie wissen wollen, bis zu welchem Betrag ihnen die Behandlungskosten von ihrer Krankenversicherung erstattet werden und ob sie gegebenenfalls einen Anteil privat zu tragen haben. Auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion konnte die Bundesregierung nicht sagen, wie diese Information zukünftig sichergestellt werden soll.

Es gibt also weitere drängende Fragen, die wir im Zusammenhang mit der Richtlinie diskutieren sollten. Der Antrag der Linken scheint mir da eher wie ein Schuss ins Blaue zu sein. Wir wissen nicht, wie sich die Gesundheitsversorgung in den kommenden Jahren in Europa entwickeln wird. Ich gehe nicht davon aus, dass, wie die Linke behauptet, die Richtlinie dazu führt, dass sich die Gesundheitsversorgung in einigen EU-Staaten dadurch verschlechtern wird, dass vorrangig ausländische Patienten behandelt werden. Aber die Gefahr eines Türöffners für ökonomische Erwägungen, hinter denen die Interessen der Patienten zurückstehen müssen, besteht.