Rede zu Entschädigung für mit Hepatitis C infizierte Bluter

Man muss sich fragen, warum wir heute - 25 Jahre nachdem sich hunderte Bluter durch ein staatliches Versäumnis mit Hepatitis C infizierten - noch darüber debattieren müssen, ob diesen Betroffenen eine Entschädigung gewährt werden sollte oder nicht. Die Antwort liegt eigentlich auf der Hand. Ich begrüße, dass sich die Linke nunmehr der Forderung der Grünen anschließt, eine humanitäre Entschädigung für durch Blutprodukte mit HCV infizierte Bluter durchzusetzen. Unsere Fraktion hat bereits im letzten Jahr einen entsprechenden Antrag eingebracht, der sich weitgehend mit den Forderungen des heute zur Debatte stehenden Antrags deckt.

Die Auffassung der Bundesregierung, bei diesen Infektionen handele es sich um ein "unvermeidbares Ereignis", ist nicht haltbar. Dies hat der Bericht des Untersuchungsausschusses "HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte" eindeutig gezeigt.

Seit spätestens Anfang der 70er-Jahre wusste das Bundesgesundheitsamt von der Gefahr, dass eine virale (Non A/ Non B-)Hepatitis durch infizierte Blutspenden und Blutprodukte übertragen werden konnte. Spätestens ab 1981 standen alternativ virusinaktivierte Präparate zur Verfügung, bei denen eine solche Gefahr nicht bestand. Dennoch wurden bis 1985 auch weiterhin nicht inaktivierte Produkte zugelassen, obwohl beispielsweise Faktor-VIII-Hochkonzentrate spätestens ab 1983 als bedenkliche Arzneimittel hätten eingestuft und ihre Verkehrsfähigkeit verlieren müssen.

Das Bundesgesundheitsamt ist damals auf dieses Risiko wiederholt hingewiesen worden. Dennoch verharrte es in seiner Untätigkeit - fast wie jetzt die Bundesregierung im Hinblick auf die Schaffung einer angemessenen Entschädigungsregelung. Das Bundesgesundheitsamt hat es damals weder für notwendig erachtet, die Zulassung solcher Risikoprodukte zu widerrufen oder ruhen zu lassen, noch die Auflage erteilt, derartige Produkte zukünftig nur noch nach einer Inaktivierung auf den Markt zu bringen. In diesem Zusammenhang ist es auch völlig unerheblich, ob damals bereits ein entsprechender Antikörpertest zur Verfügung stand oder nicht. Zu Recht hat der Untersuchungsausschuss zu HIV und Aids diese Untätigkeit auch im Falle der Infektionen mit Hepatitis C als schuldhafte Amtspflichtverletzung gewertet.

Die Entschädigung der Menschen, die in diesem Zeitraum infiziert wurden, ist dringend notwendig. Das Leid, dass diese Menschen durch ihre Infektion erfahren haben, kann nicht rückgängig gemacht werden. Aber angesichts der bislang von der Bundesregierung gezeigten Verweigerungshaltung wäre der Einsatz für eine solche Entschädigung auch und in erster Linie ein Zeichen politischer Reife, weil sie die staatliche Mitverantwortung für das Geschehene nicht mehr kategorisch leugnet, und ein überfälliger Ausdruck des Bedauerns.

Der Untersuchungsausschuss zu HIV und Aids hat 1995 klare Versäumnisse des damaligen Bundesgesundheitsamtes festgestellt. Auf dieser Grundlage wurde eine Entschädigungsregelung für diejenigen Menschen geschaffen, die sich durch verseuchte Blutprodukte mit HIV infiziert hatten. Ursache dieser Infektionen waren exakt dieselben Versäumnisse, die zur Infektion der Hämophilieerkrankten mit Hepatitis C führten.

Es ist eine Missachtung des Parlaments, dass die Bundesregierung die Erkenntnisse dieses parlamentarischen Untersuchungsausschusses ignoriert. Und es ist eine Missachtung des Parlaments, dass die Bundesregierung seit Jahren versucht, den Sachverhalt immer weiter zu vernebeln, statt eine gerechte Entschädigungslösung zu schaffen. Es ist vor allem aber eine Ungeheuerlichkeit, wie die Bundesregierung Tatsachen leugnet und diesen Menschen Gerechtigkeit verwehrt. Fiskalische Erwägungen vermögen dieses sture Beharren nicht zu erklären ebenso wenig wie die Angst vor weiteren juristischen Auseinandersetzungen. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass es sich hier in erster Linie um einen verzweifelten Versuch der Gesichtswahrung handelt, die ein vor 25 Jahren stattgefundenes staatliches Versagen einfach negieren will. Verlierer sind dabei die Betroffenen.

Es ist an der Zeit, eine gerechte Entschädigungsregelung zu schaffen und dabei alle damals beteiligten Akteure - den Bund, die Länder, pharmazeutische Unternehmen und Blutspendedienste - einzubeziehen. Ein Vorbild gibt es dafür bereits: das 1995 beschlossene HIV-Hilfegesetz. Ich fordere daher die Kollegen von den Koalitionsfraktionen auf, den Tatsachen ins Gesicht zu sehen und sich schnellstmöglich für eine humanitäre Entschädigung der Erkrankten einzusetzen.